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Macabros 014: Knochensaat

Macabros 014: Knochensaat

Titel: Macabros 014: Knochensaat
Autoren: Dan Shocker
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nahm die Geldbörse aus
der Tasche und eine Pfundnote heraus. Es hatte keinen Sinn, mit
Dorothy lange zu streiten. Außerdem, warum sollte sie den
Kuchen nicht holen?
    »Gut, dann hole du ihn. Aber paß’ auf, wenn du
über die Straße gehst!«
    »Aber Mummy! Ich richte mich nach der Ampel. Da brauchst du
keine Angst zu haben.«
    Sie nahm die Geldbörse und überquerte die Fahrbahn.
    Elena Aigens beobachtete ihre Tochter, wie sie in den Supermarkt
ging. An der Tür bemerkte sie einen heruntergekommenen Mann, der
sich umständlich eine Zigarette anzündete. Seine Kleidung
war vernachlässigt. Wahrscheinlich handelte es sich um einen
Bettler. Sie machte sich keine weiteren Gedanken über ihn.
     
    *
     
    Dorothy steuerte ihr Ziel an. Am Stand für Backwaren ging es
ruhig zu. Sie holte ihren Cremekuchen, rechnete den herausgegebenen
Betrag nach und lief dann wieder zur Tür.
    Der Hagere mit der zerschlissenen Kleidung und dem Schlapphut kam
gerade von der anderen Seite durch die Tür.
    »Na, komm«, sagte er höflich. »Ich halte
auf.«
    Er lächelte dünn. Seine Rechte lag auf dem breiten
Messinggriff.
    Dorothy Aigens wollte sich bedanken, wie sie das gelernt hatte,
aber die Worte blieben ihr wie ein Kloß im Hals stecken.
    Sie sah die Hand und schrie gellend auf.
    »Der Tod! Mummy! Er hat eine Knochenhand! Er ist der
leibhaftige Tod!«
    Das weiße Skelett der Finger zuckte zusammen und klapperte
auf dem Messinggriff.
    Dorothy Aigens war nicht mehr zu halten.
    Sie schrie und lief einfach los. Das Mädchen achtete nicht
mehr auf die Ampel und den Verkehr.
    Elena Aigens schrie gellend auf. »Dory! Nicht! Bleib stehen!
Die Autos!« Die Ampel zeigte rot für die
Fußgänger.
    Dorothy hörte nicht. Sie sprang über die Straße.
Reifen quietschten, Menschen schrien, Metall schepperte. Scheiben
klirrten.
    »Dory!« Elena Aigens sprang auf die Straße. Dem
Mädchen war nichts passiert. Leichenblaß rannte sie auf
ihre Mutter zu. Durch das plötzliche Bremsen eines Fahrzeugs war
das nachfolgende aufgefahren.
    Die beiden Fahrer stiegen aus. Allgemeines Durcheinander folgte.
Ein Fahrer rief Mrs. Aigens zu, daß sie ihre Tochter besser
erziehen sollte.
    Aufgeregte Passanten liefen zusammen. Im Nu bildete sich eine
dichte Menschentraube.
    »Der Mann, Mummy! Er wollte mit seiner Knochenhand… nach
mir greifen… er wollte mich holen…«
    Elena Aigens hatte den Mann gesehen, aber nun war er verschwunden,
als hätte die Erde ihn verschluckt.
     
    *
     
    Durch die Unfallsituation blieb es nicht aus, daß die
Polizei verständigt wurde.
    Die Beteiligten wurden vernommen. Den Unfall hatte Dorothy Aigens
verschuldet, daran gab es keinen Zweifel. Die Eltern mußten
für den Schaden aufkommen.
    Aber die Hauptursache war der unheimliche Mann, vor dem Dorothy in
panischem Entsetzen davongelaufen war.
    Dieser Mann war keine Erfindung.
    Mehrere Personen hatten ihn gesehen und konnten ihn beschreiben:
ein heruntergekommener Mitvierziger mit Schlapphut, beiger,
zerschlissener Hose und dunklem, verschmutztem Hemd.
    Er war vor und in dem Geschäft gesehen worden. Er war
aufgefallen, obwohl man nicht sonderlich auf ihn geachtet hatte. Hier
in der Nähe des Hafens traf man auf die merkwürdigsten
Gestalten: Bettler und Abenteurer, verhinderte Hippies und
Gammler.
    Dem die Vernehmung leitenden Beamten kam es darauf an, sich einen
Eindruck von dem Fremden mit dem Schlapphut zu machen.
    Was hatte der Mann vorgehabt? War Dorothy Aigens einem
Entführungsversuch entgangen? Oder war die ganze Geschichte mit
der Knochenhand, die dieser ’leibhaftige Tod’, wie Dorothy
Aigens ihn selbst bezeichnet hatte, nur ein Phantasieprodukt dieser
kleinen lebhaften Person, die einen etwas hysterischen Eindruck
machte?
    Die Sache mit der Knochenhand beschäftigte den
Polizeibeamten, aber er blickte nicht durch.
    Im großen und ganzen jedoch war alles noch mal
glücklich abgelaufen, bekam Elena Aigens zu hören, bevor
sie das Revier verließ. Zum Glück sei niemand verletzt
worden, außer Sachschaden sei nichts passiert.
    Die Bobbies im Hafenviertel wurden angewiesen, die Augen nach dem
Gesuchten, der indirekt den Unfall mitverschuldet hatte, offen zu
halten.
    Diesen Mann gab es, er war keine Phantasie, aber das mit der
Knochenhand war sicher erfunden – oder der Kerl hatte sich einen
dummen Scherz erlaubt, der schließlich zu der Katastrophe
geführt hatte.
    Doch Dorothy Aigens hatte klipp und klar erklärt, daß
es wirklich die Hand und keine Attrappe gewesen
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