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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
Autoren: Jack Vance
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prunkvollen silbernen Hellebarden. Den Schluß des Zuges bildete ein Wagen, auf dem zwei Mädchen standen, die Münzen in die Menge warfen.
    Die Prozession bewegte sich langsam den Sfer Arct hinunter, die Hauptallee der Stadt Lyonesse, die auf den Chale stieß, die Straße, die dem Halbkreis des Hafens folgte. Am Chale angekommen, schlug die Prozession einen Bogen um den Fischmarkt und kehrte über den Sfer Arct wieder nach Haidion zurück. Vor den Toren boten Stände gratis Pökelfleisch und Zwieback aus den Kammern des Königs an für alle, die hungerten; dazu Bier für alle, die den Wunsch hatten, auf das Wohl und die Gesundheit der Prinzessin zu trinken.
    Während der Winter-und Frühlingsmonate schaute König Casmir nur zweimal nach der Prinzessin, und beide Male betrachtete er sie nur in kühlem Desinteresse von der Tür aus. Sie hatte seinen königlichen Willen durchkreuzt, indem sie als Mädchen zur Welt gekommen war. Zwar konnte er sie nicht direkt für diesen Akt des Ungehorsams bestrafen, aber er konnte ihr auch nicht die volle Wohltat seiner Gunst zuteil werden lassen. Sollace wurde ob des Mißmuts des Königs zusehends mürrischer, und schließlich verbannte sie das Kind mit einer Fülle launischer Floskeln aus ihrem Blickfeld.
    Ehirme, ein grobknochiges Bauernmädel, Nichte eines Gärtnergehilfen am Hofe, hatte ihr eigenes Kind kurz nach der Geburt durch die gelben Blattern verloren. Mit einem Reichtum sowohl an Milch als auch an Mutterliebe wurde sie Suldruns Amme.
     
    Vor vielen, vielen Jahrhunderten, in jener Fast-Vorzeit, wo Legende und Geschichte ineinander zu verschwimmen beginnen, errichtete der Pirat Blausreddin eine Festung über einem felsigen, halbkreisförmigen Hafen. Seine Befürchtungen galten nicht so sehr einem Angriff vom Meer, sondern der Möglichkeit von Überraschungsangriffen von den Gipfeln und Hohlwegen der Berge im Norden des Hafens.
    Ein Jahrhundert später umfriedete Tabbro, der danaische König, den Hafen mit einer gewaltigen Buhne und erweiterte die Festung um den Alten Palas, neue Küchen und eine Reihe von Schlafräumen. Sein Sohn, Zoltra Hellstern, baute einen massiven Hafendamm und erweiterte und vertiefte das Hafenbecken, so daß fortan jedes Schiff der Welt am Pier festmachen konnte. 7
    Zoltra vergrößerte auch die alte Festung. Er errichtete den Großen Palas und den Westturm, starb jedoch vor der Vollendung der Bauarbeiten, welche dann fortdauern sollten durch die Regierungszeiten Palaemons I., Edvarius I. und Palaemons II.
    Der Haidion König Casmirs besaß fünf große Türme: den Ostturm, den Königsturm, den Hohen Turm (auch der Eyrie genannt), den Palaemonturm und den Westturm. Es gab fünf große Gebäude: den Großen Palas, das Ehrenhaus, den Alten Palas, den Clod an Dach Nair (auch Festhalle geheißen) und das Kleine Refektorium. Aus diesen ragte der Große Palas in seiner wuchtigen Erhabenheit heraus, die den Rahmen menschlicher Anstrengungen schier zu sprengen schien. Das Zusammenspiel von Proportionen, freien Räumen und Massen, die Kontraste von Schatten und Licht, die sich von morgens bis abends stetig veränderten, um dann, wenn die Fackeln und Leuchter ihre flackernden Schattenspiele auf die Wände warfen, ihren unheimlichen Höhepunkt zu finden – all dies wirkte zusammen zu einem ehrfurchteinflößenden Eindruck. Die Eingänge schienen fast nachträgliche Einfälle; jedenfalls konnte niemand dramatisch Einzug in den Großen Palas halten. An einem Ende öffnete sich ein Portal auf eine schmale, gerüstartige Empore, von der sechs breite Stufen hinunter in die Halle führten, vorbei an Säulen, die so dick waren, daß zwei Männer sie mit ausgestreckten Armen nicht zu umfassen vermochten. Auf einer Seite ließ eine Reihe hoher Fenster, deren dickes Glas mit dem Alter eine lavendelfarbene Tönung angenommen hatte, ein wäßriges Zwielicht hereinfallen. Des Nachts schienen die Fackeln in ihren eisernen Haltern ebenso viel Schatten wie Licht zu werfen. Zwölf mauretanische Teppiche dämpften die Härte des Steinfußbodens.
    Ein zweiflügeliges Eisentor führte ins Ehrenhaus, das in Größe und Proportion dem Hauptschiff einer Kathedrale ähnelte. Ein schwerer dunkelroter Teppich lief längs durch die Mitte vom Eingang bis zum Königsthron. Ringsherum entlang den Wänden standen vierundfünfzig massive Stühle. Über jedem davon hing an der Wand das Emblem einer Adelsfamilie. Auf diesen Stühlen nahmen bei zeremoniellen Anlässen die Granden von Lyonesse
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