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Lycana

Lycana

Titel: Lycana
Autoren: Ulrike Schweikert
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zischte Franz Leopold. »Es muss etwas Besonderes sein. Ach, ich weiß auch nicht so genau.«
    »Für Eure Reise nach Irland?«
    »Natürlich, sonst müsstest du es ja nicht in den Koffer packen, oder?«
    »Vielleicht über Druiden und alte Magie oder etwas über Wölfe? Über ganz spezielle Wölfe?« Sein Tonfall änderte sich nicht und er sah auch nicht von seiner Arbeit auf.
    Franz Leopold betrachtete ihn misstrauisch. »Ja, das wäre nicht schlecht. Besorge mir so etwas. Ansonsten brauche ich dich heute Nacht nicht mehr. Pack nur die Koffer fertig und warte dann hier auf mich.«
    Ohne ein weiteres Wort drehte sich Franz Leopold um und ging hinaus. Während er über den roten Teppich die Freitreppe zum Hauptportal hinunterlief, fragte er sich, ob Matthias inzwischen nicht mehr gelernt hatte, als seinem Herrn lieb sein konnte. Franz Leopold war selbst für einen Dracas ein meisterhafter Gedankenleser - zumindest für sein Alter. Doch war dies keine Fähigkeit, die er bei seinem Diener gerne sah. Vor allem nicht,  wenn seine Fantasien wieder einmal nach Irland vorauseilten und er ihre Stimme hören konnte.
    »Leo«, hatte sie ihn genannt, und die Erinnerung an den Klang dieses einen Wortes hütete er wie einen Schatz. Franz Leopold stieß das Portal auf und lief die letzten Stufen hinunter. Er sog die würzige Abendluft des späten Sommertages ein, unter die sich bereits der erste Hauch von Verfall mischte. Bald würde das saftige Grün der Blätter verblassen und sich zu herbstlichem Gelb wandeln. Doch dann würde er nicht mehr unter diesen Bäumen durch die Nacht flanieren, die im Licht der Gaslaternen gespenstische Schatten warfen. Nein, eine andere Landschaft wartete auf ihn, ein anderes Land - eine ganz andere Welt und Ivy-Máire!
     
    Alisa faltete die Hände vor der Brust. Obwohl sie vor Nervosität zitterte, versuchte sie, ruhig liegen zu bleiben, während das Dröhnen der Hammerschläge durch ihren Leib vibrierte. Sie zählte die Nägel, die Hindrik einschlug, um ihre Reisekiste zu verschließen.
    »Fertig!«, hörte sie seine Stimme ein wenig dumpf durch das Holz dringen. »Alles klar mit dir?«
    »Ja«, antwortete Alisa. »Wenn es doch nur endlich losginge!«
    Hindrik lachte. »Du bist über das Jahr schneller und stärker geworden, geduldiger allerdings nicht.«
    Sie hörte, wie sich seine Schritte entfernten, und dann wieder die Schläge des Hammers, als er die Kisten ihres jüngeren Bruders Tammo und ihres Vetters Sören verschloss. Der Servient, wie die Vamalia ihre unreinen Clanmitglieder nannten, würde sie begleiten. Hindrik besaß zwar mit seinem blonden langen Haar und den Bartstoppeln an Kinn und Wangen das Aussehen eines jungen Mannes, gehörte aber zu den älteren und erfahrenen Vampiren des Hamburger Clans. Sein menschliches Leben war irgendwann im späten 17. Jahrhundert zu Ende gegangen. So legte Dame Elina, die der Familie der Vamalia vorstand, das Schicksal der  drei Erben während ihres Aufenthalts auf der Insel beruhigt in Hindriks Hände.
    Endlich spürte Alisa, wie die Kiste angehoben wurde. Der Geruch nach Schlick und Brackwasser nahm zu, und als die Kiste wieder abgestellt wurde, spürte sie das sanfte Wiegen der Schiffsplanken unter sich. Noch hatte die Flut nicht eingesetzt, doch dann würde es endlich losgehen. Sie hatte die Nächte gezählt und nun war es so weit. Die große Fahrt übers Meer konnte beginnen. Alisa war noch nie auf einem Schiff gereist, obwohl die Vamalia in zwei barocken Kaufmannshäusern auf der Wandrahminsel am alten Binnenhafen lebten. Jede Nacht betrachtete sie voller Sehnsucht den Wald aus Masten, Rahen und Wanten, die weit gereisten Schoner und Briggs der Handelsflotte, Barken und Fleuten, die Huker der Hochseefischer und die mit unzähligen Kanonen bestückten Fregatten und Sloops der Kriegsmarine. Nun würde sie in einer Bark übers Meer segeln, einem der großen Hochseefrachtschiffe mit vier Masten, und sie war dazu verdammt, in einer vernagelten Kiste zu liegen. Sie durfte nicht sehen, wie die Matrosen in die Wanten stiegen oder im Takt ihrer Lieder die Schoten um die Winchen zogen, bis der Wind in das Segeltuch fuhr und es wie weiße Schwingen blähte. Alisa spürte, wie sich das Schiff langsam hob. Draußen wurden Befehle gerufen. Das Schwanken verstärkte sich, als die Taue von den Duckdalben gelöst wurden. Der Gesang der Männerstimmen drang bis in den Frachtraum. Dann neigte sich das Schiff nach Lee und nahm Fahrt auf - die Elbe hinunter bis
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