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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua
Autoren: dtv
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bis zum Morgen.
    Am sechsten Tag bricht ein nebliger Morgen an
. . .

Erstes Kapitel
    in dem Reynevan, der versucht, die Spur seiner Liebsten zu finden, mannigfache Widrigkeiten begegnen. In Sonderheit wird er
     verflucht. Im und außer Haus, stehend und sitzend, und in all seinem Tun. Europa indessen verändert sich. Indem es sich neue
     Kampftechniken aneignet.
    Der Morgen war nebelverhangen, und für Februar war es ziemlich warm. Während der Nacht hatte Tauwetter eingesetzt, seit dem
     Morgengrauen taute der Schnee, die Abdrücke der Hufeisen und die Spurrinnen der Wagen füllten sich eilends mit schwarzem Wasser.
     Die Deichseln und die Zugstränge knarrten, die Pferde schnaubten, und die Kutscher fluchten schläfrig vor sich hin. Der nahezu
     dreihundert Wagen zählende Zug bewegte sich nur langsam vorwärts. Über ihm lag ein schwerer, erdrückender Geruch von Salzheringen.
    Sir John Fastolf schaukelte schläfrig in seinem Sattel hin und her.
     
    Nach einigen Frosttagen war plötzlich Tauwetter eingetreten. Der nasse Schnee, der die Nacht über gefallen war, schmolz rasch
     dahin. Schmelzwasser troff von den Fichten.
    »Auf sie! Schlagt zu!«
    »Haaaa!«
    Ein gewaltiger Kampfeslärm erschreckte die Krähen, die Vögel flatterten von den kahlen Zweigen auf und bedeckten den Himmel
     mit einem schwarzen, sich fortbewegenden Mosaik, ein Krächzen erfüllte die mit eisiger Feuchtigkeit geschwängerte Luft. Ein
     Schrei.
    Es wurde kurz, aber verbissen gekämpft. Hufe durchpflügten den Schneematsch und vermengten ihn mit Schlamm. Pferde wieherten
     und stöhnten hell auf, Menschen schrien. Die einen vor Kampfeslust, die anderen aus Schmerz. Es hatte urplötzlich begonnen
     und endete rasch.
    »Hooo! Sammeln! Sammeln!«
    Und noch einmal erklang es leiser, schon weiter entfernt.
    Dohlen krächzten und kreisten über dem Wald. Das Dröhnen der Hufe wurde allmählich schwächer. Die Schreie wurden leiser.
    Blut färbte die Pfützen und sickerte in den Schnee.
     
    Der verwundete Soldat hörte den Reiter, der sich näherte, das Schnauben des Pferdes und das Klirren des Zaumzeugs hatten ihn
     alarmiert. Er stöhnte und versuchte aufzustehen, aber es gelang ihm nicht, die Anstrengung mehrte nur den Blutschwall, der
     zwischen den Platten des Brustpanzers in einem karminroten Strahl hervorsprudelte und über das Blech herabfloss. Der Verwundete
     presste seinen Rücken heftiger gegen einen umgestürzten Baumstamm und zog seinen Dolch. Er wusste nur zu gut, was für eine
     erbärmliche Waffe dies in den Händen von jemandem war, der nicht aufstehen konnte, weil ein Speer seine Seite durchbohrt und
     sich sein Bein beim Sturz des Pferdes verdreht hatte. Der herankommende schwarze Junghengst war ein »Trippler«, die eigenartige
     Bewegung der Beine fiel einem sofort auf. Der Reiter jenes schwarzen Pferdes hatte kein Kelchzeichen auf der Brust, also war
     er wohl keiner von den Hussiten, mit denen der Trupp, zu dem der Waffenknecht gehörte, kurz zuvor gekämpft hatte. Der Reiter
     trug keine Rüstung. Auch keine Waffen. Er sah aus wie ein gewöhnlicher Reisender. Der verwundete Soldat wusste jedoch nur
     zu gut, dass es jetzt, im Februar 1429, auf den Anhöhen um Striegau keine Reisenden gab. Im Februar 1429 reiste niemand über
     die Anhöhen von Striegau und durch die Ebene von Jauer. Der Reiter betrachteteihn lange, im Sattel verharrend und auf ihn herabsehend. Lange und schweigend.
    »Die Blutung muss gestillt werden«, sagte er schließlich. »Ich kann das tun. Aber nur, wenn du vorher diesen Dolch wegwirfst.
     Tust du das nicht, reite ich weiter, dann musst du dir allein helfen. Entscheide selbst.«
    »Niemand
. . .
«, stöhnte der Soldat, »wird Lösegeld für mich zahlen
. . .
Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt
. . .
«
    »Wirfst du nun deinen Dolch weg oder nicht?«
    Der Soldat fluchte leise, nahm den Dolch und schleuderte ihn in hohem Bogen davon. Der Reiter stieg vom Pferd, öffnete ungeschickt
     die Satteltaschen und kniete dann mit einer ledernen Tasche in der Hand neben dem Verwundeten. Mit einem kurzen Klappmesser
     durchschnitt er die Riemen, mit denen die beiden Platten des Brustpanzers mit der Rückenplatte verbunden waren. Er zog die
     Brustplatten herunter, zerschnitt den blutgetränkten Hacqueton, schob ihn beiseite, beugte sich weit vor und musterte die
     Wunde.
    »Nicht schön
. . .
«, brummte er. »Das sieht gar nicht gut aus.
Vulnus punctum,
eine Stichwunde. Sie ist tief
. . .
Ich werde dir
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