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Lustvolles Erwachen

Lustvolles Erwachen

Titel: Lustvolles Erwachen
Autoren: Eileen Dreyer
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befanden sich bunte Majolika-Stücke. Die Jade hatte sie für ihr Arbeitszimmer aufbewahrt – es war ein getäfelter Raum, den sie in Creme gestrichen hatte, damit die Regale mit dem leuchtenden Grün besser zur Geltung kamen. Ihre Teppiche stammten aus Persien und die seidenen Tapeten aus China. Jeder Raum war eine Explosion von Farben und Stoffen. Und das war erst der Anfang. Sie hatte noch immer zwanzig Kisten, die sie auspacken musste.
    Als sie an dem Tisch in der Eingangshalle vorbeikam, rückte sie die kleine golden angemalte Statue von Ganesha, dem Elefantengott, in die Mitte. Er stand immer in der Nähe der Tür, um Glück zu bringen. Grace wusste, dass sie Glück nun mehr als je zuvor brauchen konnte.
    »Möchtest du ein Bad nehmen, ehe du ins Bett gehst?«, fragte Breege.
    Grace hätte beinahe aufgestöhnt. »Nein. Selbst dazu bin ich zu müde.«
    Wie an jedem Abend würden sie und Breege sich an der großen Treppe verabschieden. Breege würde die letzten Runden drehen, um zu sehen, ob alles in Ordnung war, ehe sie sich in die Räume der Haushälterin zurückziehen würde. Und Grace würde die Treppe zu ihrem eigenen Zimmer hinaufgehen. Lange Zeit hatten sie sich zum Abschied nur zugenickt oder mal den Arm getätschelt. Inzwischen hatte Grace es sich angewöhnt, die kräftige Frau zu umarmen. Breege war noch immer überrascht über die herzliche Geste, aber sie erwiderte die Umarmung liebevoll.
    Es war die wichtigste Lektion, die Grace in den letzten Wochen gelernt hatte. Man durfte sich durch nichts davon abhalten lassen, den Menschen, die man liebte, diese Gefühle auch zu zeigen. Nur so konnte man verhindern, später einmal irgendetwas zu bereuen oder sich schuldig zu fühlen.
    Denn Reue und Schuldgefühle lagen wie ein Leichentuch auf ihren Schultern. Die Last wurde nur durch die Zuneigung ihrer Freunde etwas leichter. Dennoch würde sie nie mehr die Gelegenheit bekommen, ihrem Onkel Dawes zu sagen, wie viel er ihr bedeutet hatte. Sie würde ihren Vater nie mehr umarmen und ihm zuflüstern können, wie sehr sie ihn liebte. Sie würde niemals den Grenadieren, den Freunden, die sie auf unzähligen Schlachtfeldern verloren hatte, sagen können, wie dankbar sie ihnen dafür war, dass sie einem hässlichen, unbeholfenen Mädchen das Gefühl gegeben hatten, etwas Besonderes zu sein.
    Doch die größte Reue verspürte sie in ihrem Schlafzimmer. Lizzy wartete schon, als sie in das Zimmer trat. Ein Flanellnachthemd lag auf dem Bett.
    »Oh, kein Flanell«, widersprach Grace. »Das trage ich noch früh genug. Was ist mit meinem Kaftan?«
    »Tja, der passt natürlich besser zu den neuen Möbeln.«
    Grace lächelte. Sie hatte ihre erste Kiste hier ausgepackt. Von dem Tag an, als sie zum ersten Mal eine Zenana betreten hatte, hatte sie gewusst, wie ihr Schlafzimmer eines Tages aussehen würde. Ihre Wände waren mit orangefarbenem und rotem Seidenstoff abgehängt. Es waren die Farben eines Sonnenuntergangs in der Wüste. Am Kerzenleuchter hingen Glastropfen in unterschiedlichsten Farben, und an den Fenstern waren golddurchwirkte Saris angebracht. Auf dem Bett, das außergewöhnlich tief war und ein Betthaupt aus kunstvoll verziertem ceylonesischem Teakholz besaß, hatte sie ein Nest von Seidenkissen in den Farben des Regenbogens angeordnet: hellgrün, leuchtend gelb, königsblau, blaugrün. Eine Symphonie von Farben, eine Explosion von Tönungen.
    Die schönsten Kunstwerke hatte sie für diese Wände aufgehoben, die niemand sonst sah. Ihrem Vater war nie bewusst gewesen, welche Art von Kunst sie im Laufe all der Jahre auf den indischen und türkischen Basaren gesammelt und versteckt hatte oder was die Frauen des Harems sie zu malen gelehrt hatten. Jetzt versteckte sie das alles nicht mehr. An ihren Wänden hingen Bilder von ausnehmend schönen Frauen und Männern, eingefangen im ewigen Tanz sinnlicher Liebe, gemalt in den leuchtendsten Farben. Da sie nun genau wusste, was die Frauen empfanden, wenn sie ihre Liebhaber anlächelten, rang Grace eine Welle des Neids nieder. Sie würden für immer in dem intimsten Moment des Lebens gefangen sein, die Lust auf dem Höhepunkt, ihre Welt in wundervollen Farben auf Leinwand gebannt. Grace, die das alles kurz hatte erleben dürfen, war hingegen wieder in die Dunkelheit hinausgejagt worden.
    Hier vermisste sie Diccan am meisten. Oh, sie vermisste ihn auch sonst. Sie dachte zum Beispiel jedes Mal an ihn, wenn sie Epona ritt. Vor ihrem inneren Auge sah sie, wie er sein Monokel
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