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Lustnebel

Lustnebel

Titel: Lustnebel
Autoren: Ivy Paul
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und lauerte hinter Chayton. In ihrer Hand hielt sie den Griff des zerstörten Kristallkrugs. Ein Teil des Glaskörpers befand sich am Henkel, sodass er Ähnlichkeit mit einer Maurerkelle besaß. Ihr Blick wirkte wirr und wild. Sie holte aus, und Rowena reagierte blitzschnell. Sie stieß Chayton beiseite, Alices Arm fuhr durch die Luft. Es geschah so schnell, dass Rowena nicht wahrnahm, was passierte. Hitze und Nässe breiteten sich über ihrem Brustkorb aus. Alice grinste überrascht und hämisch zugleich.
    Chayton ging auf die Knie und warf etwas Längliches, Glänzendes durch die Luft. Mit dumpfem Klatschen traf es auf Alice. Sie starrte ungläubig auf ihren Bauch, umklammerte den Griff des Messers, richtete ihren Blick vorwurfsvoll auf Rowena und zog die Klinge heraus. Sofort sprudelte Blut aus der Wunde. Alice sackte zu Boden, zuckte noch ein paarmal, dann erstarrte sie. Ihr Kopf sank zur Seite, die Augen leere Scheiben in dem erschlafften Gesicht.
    Rowena bewegte ihre Schultern, und eisiges Brennen durchzuckte ihren Oberkörper. Feuchtigkeit verteilte sich unangenehm klebrig über ihrer Brust, und sie spürte einen kühlen Luftzug auf der Haut, weil Alice ihr das Oberteil bei ihrem Angriff zerschnitten hatte. Rowena blickte an sich herunter und erkannte, dass ihr Vorderteil blutbesudelt war.
    Sie merkte, wie ihr Kopf wegsacken wollte. Mühsam wandte sie sich Chayton zu. Panik leuchtete in seinen Augen auf.
    „Ťawíču!“, flüsterte er. Das war das Letzte, das Rowena bewusst wahrnahm.
     
    Jemand hatte Rowena auf das Dach eines Eisenbahnwaggons gelegt. Windböen rauschten an ihr vorbei, und ihr Körper wurde heftig durchgeschüttelt. Sie stöhnte und versuchte, ihre Augen zu öffnen. Doch es fiel ihr so schwer, dass sie es nach einer Weile aufgab. Irgendjemand zerrte an ihr. Sie spürte intensives Brennen auf ihrem Brustkorb, dann einen Druck und Hände. Sie unternahm Versuche, die Betastungen zu unterbinden, doch ihre Gliedmaßen gehorchten ihr nicht.
    Ein Mann knurrte Anweisungen. Er klang wütend. Die Hektik, die um sie herum entstand, missfiel ihr. Sie wollte sich äußern, doch man schien sie nicht zu verstehen. Neuer Schmerz überrollte sie, und sie fühlte Tränen über ihr Gesicht laufen, ohne zu wissen, ob es ihre waren.
    Plötzlich tauchten eine Hand auf und eine Stimme, Chaytons Stimme. Er redete auf sie ein, und auch, wenn sie unfähig war, den Sinn seiner Worte zu erfassen, so erkannte sie die Wärme, die darin lang.
    Ihr Bewusstsein entglitt.
     
    Sie kam zu sich. Helles Licht flutete den Raum. Sie befand sich in einem Himmelbett mit weißem Bettzeug und luftigen weißen Vorhängen. Ein Blick an sich herunter zeigte ihr, dass sie ein weißes Nachthemd trug. Sie schwang ihre Beine aus dem Bett und richtete sich prüfend auf. Kein Schmerz plagte sie. Im Gegenteil, sie hätte Bäume ausreißen können.
    „Rowena“, sagte eine Stimme außerhalb ihres Gesichtsfeldes.
    Sie erstarrte.
    „Schau mich an“, bat Claire. Sie klang süß und lebendig.
    Langsam, nur langsam wandte Rowena sich um. Claire stand vor ihr. Blühend und in ihrem Lieblingskleid. Neben ihr hockte Miau und putzte sich, offensichtlich desinteressiert an allem, was um sie herum vorging.
    „Du bist tot“, erklärte Rowena überflüssigerweise. Verwirrt erkannte sie, dass sie sich bewusst war, zu träumen.
    „Das bin ich“, bestätigte Claire und faltete ihre Hände vor dem Schoß. „Du kannst mich jetzt getrost gehen lassen. Meine Mörder sind bestraft. Die Ehre unserer Familie bleibt gewahrt. Lebe dein Leben. Und hab Spaß. Man kann nie genug Spaß haben.“
    „Aber …“, stotterte Rowena verwirrt.
    Claire lächelte. „Kein Aber, lebe mit deinem Chayton. Werdet glücklich.“ Claire nieste und blickte missbilligend auf Miau hinunter. „Und schafft euch nicht zu viele Katzen an.“
    Die Szene verschwamm vor Rowena. Es wurde dunkel um sie herum. Wie ein dunkelblauer Schleier senkte sich die Finsternis über sie.
    „Warte noch einen Moment“, bat eine männliche Stimme. Rowena blinzelte und sah Lex Miller auf sich zukommen. Er wirkte wie das blühende Leben. Mit blitzenden grünen Augen und sonnengebräunter Haut.
    Entgeistert musterte Rowena den verstorbenen Geliebten ihres Mannes. Er neigte lächelnd seinen Kopf, als läse er ihre Gedanken. „Richtest du Chay etwas von mir aus?“, bat er. Er streckte seine Hand aus und berührte Rowenas Unterarm. Sie nickte stumm.
    „Es ist in Ordnung. Er darf dich lieben. Ich will,
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