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Lustnebel

Lustnebel

Titel: Lustnebel
Autoren: Ivy Paul
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raschelte, dann herrschte Stille.
    Ihre tierische Begleiterin hatte eben das Weite gesucht.
    Rowena konnte es ihr nicht verdenken. Auch sie wollte so schnell wie möglich fort. Ein Umstand, den ihr die Folgen ihres Unfalls deutlich erschwerten. Sie umklammerte einen dicken, stabilen Trieb der Engelstrompete und wagte es, sich dagegenzulehnen. Feuchte Blätter berührten wohltuend ihre heiße Stirn. Erschöpfung drückte auf ihre Gliedmaßen wie Bleigewichte, umso angenehmer erwies sich das Blätterwerk, das ihren Körper stützte, ähnlich einer Hängematte.
    Sie richtete sich wieder auf. Miau, die Katze, blieb verschwunden, und sie hätte Rowena ohnehin nicht weiterhelfen können.
    Die Nebelschleier lockerten sich auf, sodass Rowena immerhin über mehrere Meter hinweg Ausblick hatte. Sie sah zum Haus und den Stallungen hinüber. Nachdenklich ließ sie ihre Aufmerksamkeit über das Anwesen schweifen, ehe ihre Musterung allein dem Stall galt.
    Die Cuthberts besaßen Pferde, soweit Rowena wusste. Sie hatten Barnard Hall mit der Kutsche aufgesucht. Vielleicht konnte Rowena sich eines der Tiere ausleihen und nach Hause reiten. Als Entschädigung für Alices unverzeihliches Benehmen und kleine Anzahlung auf die Schulden, die sie bei Rowena und Chayton hatte. Auf keinen Fall würde Rowena die Angelegenheit auf sich beruhen lassen. Schon gar nicht, solange der Hauch eines Verdachts bestand, Alice wäre schuld an Claires Tod. Rowena musste nur einen Weg finden, wie Alice zur Rechenschaft gezogen werden konnte, ohne Rowena und ihre Familie in den Schmutz zu ziehen.
    Sie schob den Gedanken beiseite und humpelte auf die Stallungen zu. Die kurze Pause hatte ihr gut getan, doch ihr rechtes Bein teilte dieses Gefühl bedauerlicherweise nicht. Es schien auf das Doppelte angeschwollen zu sein, und überdies verweigerte das Knie jegliche Bewegung. Rowena biss die Zähne zusammen und setzte ihren Weg unbeirrt fort.
    Als sie sich dem Haus näherte, entdeckte sie einen hochgewachsenen Schemen am Fenster. Sie stutzte. Zwei weitere Gestalten bewegten sich hinter den Gardinen. Die plumpere der beiden identifizierte Rowena sofort als Wilson. Hinter der anderen Person vermutete sie Alice. Die große Person wich in einen Teil des Raumes, den Rowena nicht einsehen konnte. Ein Schritt Richtung Fenster brachte ihr das verletzte Knie in Erinnerung und den Verdacht, Alice und ihr Mann wären die Bösewichte. In dieser Situation Spionin zu spielen, erwiese sich als schlechte Idee. Rowena entschied, erst nach Hause zu gehen und weitere Vorgehensweisen später zu überdenken. Sie schlurfte über den Hof.
    Am Stall angekommen, stieß sie vorsichtig die Tür auf. Als Erstes nahm sie den warmen, schweren Geruch nach Pferd wahr. In das Aroma mischten sich Heu, Holz und ein Hauch von Leder. Sie schob sich in das Gebäude. Rowena benötigte einige Momente, ehe ihre Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Durch vereinzelte, winzige Fensteröffnungen und die halb offene Tür fiel fahles Tageslicht. Rowena hinkte zu den Boxen und betrachtete die Pferde, die darin standen. Beide besaßen dunkles Fell, das eine schwarzbraun, das zweite kohlschwarz. Rowena kannte sich nicht sonderlich gut mit den Reitpferden aus, doch die beiden schienen, wenn auch nicht die edelsten Pferde, dann doch von guter Gesundheit und ansprechender Güte zu sein.
    Rowenas Blick fiel auf die dritte Box, doch dort türmte sich lediglich ein Heuhaufen, der würzigen Duft verströmte. Rowena blickte zu den Tieren. Das Schwarzbraune wirkte feuriger als das andere. Sie trat näher und hielt dem schwarzen Wallach ihre Hand entgegen, damit dieser sie beschnuppern konnte, was er auch prompt tat. Er näherte sich mit jenen für Pferde so typisch wiegenden Bewegungen und senkte seine Schnauze in Rowenas Handfläche. Seine feuchten Nüstern bebten, seine Lippen zitterten, und sein warmer Atem blies über Rowenas Hand und Unterarm. Das Schnauben des Rappens löste auf Rowenas Haut ein Kitzeln aus und das Bedürfnis, ein hysterisches Kichern loszuwerden. Um es zu unterdrücken, biss sie sich so fest auf die Unterlippe, dass sie Blut schmeckte. Sie leckte über ihre Lippe und stöhnte leise.
    Das Pferd wandte sich enttäuscht ab, es hatte wohl eine Leckerei erwartet. Rowena streckte ihre Hand aus und tätschelte den muskulösen Hals des Tieres, während sie entschied, den Rappen auszuleihen.
    Im rückwärtigen Teil des Stalls führten zwei Türen in Nebenräume. Hinter einer der beiden befand
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