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Lustnebel

Lustnebel

Titel: Lustnebel
Autoren: Ivy Paul
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sich mit Sicherheit die Sattelkammer. Zwar war Rowena nicht davon überzeugt, ob sie dem Pferd den Sattel anlegen könnte, doch sie vermutete optimistisch, dass es nicht so schwer sein konnte. Einige Male hatte sie den Stallburschen dabei zugesehen und wäre nun hoffentlich in der Lage, es selbst zu tun. Sie argwöhnte, dass der Mann, der Stallknecht und Kutscher der Cuthberts war, ihr kaum dabei helfen würde, sich unerlaubt eins der Pferde borgen.
    Langsamer, als ihr lieb war, erreichte sie die Türen und fand schon hinter der Ersten das Gesuchte. Eine Geruchswolke erschlug Rowena schier. Leder mischte sich mit Talggeruch und trockenem Holz, darüber hinaus lag ein Duft im Raum, der nicht hierhergehörte und Rowena doch vertraut war. Eine Kombination aus Honig, Säure und Alkohol. Abrupt fühlte Rowena sich an jenen Nachmittag im Hellfire Club zurückversetzt. Sie schloss kurz die Augen. Der Eindruck verstärkte sich. Sie ließ ihren Blick durch den Raum wandern. Ein Regal an der Wand erwies sich als Ablage für Werkzeug und einzelne Metallgegenstände, Nägel, Hufeisen, vermutlich das Übliche. Ein paar Lederriemen waren im Schrank aufgereiht worden sowie verschiedene Reitutensilien. Gerten, Peitschen, Trensen, Zaumzeug. Auf einer Vitrine an der gegenüberliegenden Wand lagen zwei Sättel von guter Qualität und exzellenter Verarbeitung. Doch was auf einem Tisch daneben stand, fesselte Rowenas Interesse weit mehr, ebenso der Hängeschrank über der Kommode.
    Entgeistert musterte Rowena die Kristallkaraffe mit der rubinroten Flüssigkeit, in der einige gelb-bräunlich verfärbte Blütenblätter schwammen. Daneben stand eine Weinflasche, deren Etikett die exquisite Herkunft verriet. Rowena kannte die Sorte recht gut, da sie zur ihren Lieblingsweinen gehörte.
    Rowena besah sich die leere Flasche näher, dann hob sie die Karaffe an ihre Nase. Ganz eindeutig hatte jemand den Wein mit diesen Blüten zu aromatisieren versucht. Im Bouquet des edlen Tropfens schwebte der Hauch von Honigduft.
    Honig. Gelb. Trompetenförmige Blüten. Umnebeltes Bewusstsein. Hellfire Club. Claire. Abrupt stellte Rowena die Glaskanne auf die Ablage, sodass der Wein hin und her schwappte. Entsetzt starrte sie auf den Alkohol.
    Das war der Beweis. Die Cuthberts hatten die Frauen bei den Orgien unter Rauschmittel gesetzt. Man hatte Claire zu viel eingeflößt, ob versehentlich oder absichtlich, war Rowena in diesem Moment gleichgültig. Sie hatte die Mörder gefunden.
    Sie erstarrte. Chayton hatte die Pflanzen besorgt, hatte sie Alice überlassen. Bewusst? Wie tief war er in diese Sache verstrickt? Rowena konnte kaum schlucken vor Nervosität.
    Sie brauchte eine letzte Gewissheit. Den Geschmack des Getränks, das man ihr und Claire gereicht hatte, würde sie nie wieder vergessen, also würde sie einen Schluck aus der Karaffe wagen, um sich zu vergewissern, dass sie sich nicht täuschte. Sie hob den Krug an ihre Lippen und nippte. Honigduft und Säure fluteten ihre Geschmacksnerven. Sie fuhr sich mit dem Ärmel über den Mund. Der Wein war ein anderer, weniger süß, aber vielleicht täuschten die Cuthberts die Hellfire-Club-Nonnen mit zusätzlichen Süßungsmitteln und weiteren Gewürzen.
    Der Schock fraß sich in ihre Eingeweide. Rowena packte den Sattel und war im Begriff, sich umzudrehen.
    „Was für eine Überraschung, Rowena? Was führt Euch hierher?“ Alices Stimme klang überrascht, aber nicht im Geringsten beunruhigt oder feindselig.
    Rowena drehte sich um und erkannte Alice im Türrahmen stehend. Hinter ihr tauchten Wilson und Turnbull auf.
    Turnbull also, nicht Chayton war es gewesen, der sich vorhin im Haus bei den Cuthberts aufgehalten hatte. Rowena wurde schwindlig vor Angst. Ausgerechnet Turnbull! Der Mann, den sie für Silbermaske hielt und verdächtigte, Claire auf dem Gewissen zu haben.
    Alice und die Männer hatten offensichtlich vorgehabt, auszugehen, denn alle drei trugen entsprechende Kleidung.
    Alice zupfte ihre Handschuhe zurecht, während sie sich Rowena näherte.
    „Ich wollte mir eins der Pferde ausleihen, um heimzureiten. Wegen Eures seltsamen Benehmens heute Mittag habe ich mich verlaufen und verletzt“, plapperte sie drauflos. Ihr Verstand arbeitete unter Hochdruck. Geoffrey Turnbull und das Ehepaar Cuthbert konnten nicht ahnen, dass Rowena hinter die Sache mit den Drogen gekommen war. Vielleicht konnte sie die drei hinters Licht führen.
    Alice erreichte sie und nahm ihr den Sattel ab. „Liebste Rowena,
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