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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz
Autoren: Beatrix Gurian
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gewinnen können. Du … du warst so einsam.«
    Gut, dass die Tür zwischen uns ist, sonst würde ich sie jetzt erwürgen. »Und Tom?«, frage ich widerwillig.
    »Tom habe ich beim Höhlenklettern kennengelernt. Ich dachte, er würde mich lieben und mir bei meinen Racheplänen helfen, aber das wollte er nicht. Er wollte, dass ich mit meinem Vater rede.«
    »Liebst du Tom?« Hey, warum frage ich das?
    »Nein.«
    Das kam prompt, aber dann sagt sie nichts mehr.
    Ich lege mein Ohr an die Tür, bilde mir ein, dass ich ihren Atem hören kann.
    »Weißt du«, wispert Mila nach einer Ewigkeit, »ich denke mittlerweile, Liebe ist nur so eine Art Geistererscheinung. Alle reden davon, aber man sieht sie nicht. Alle tun Dinge im Namen der Liebe, aber das Ergebnis sind Lügen und Leid, Tod und Zerstörung.«
    Jetzt öffne ich doch die Tür, und weil sie nach innen aufgeht und Mila ihren Kopf offensichtlich dagegengelehnt hatte, steht sie nun direkt vor mir. Sie sieht verweint aus und ihre Augen wirken, als wären sie aus tausend Jahre altem Stein.
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll, denn aus ihrer Sicht hat sie recht. Aber, widerspricht eine Stimme in meinem Kopf, ihre Sicht ist ziemlich eingeschränkt.
    »Ich glaube, Liebe ist keine Geistererscheinung«, fange ich an, »sondern vielleicht ist es so wie mit Dr. Jekyll und Mr Hyde.«
    »Jekyll und Hyde.« Ihr Mund verzieht sich zu einem kleinen Lächeln. »Wie meinst du denn das?«
    »Auch Liebe hat zwei Seiten: schreckliche und wunderbare, und es liegt an uns zu entscheiden, welche die Oberhand behalten darf.«
    »Was heißt hier entscheiden? Ich habe mir diese ganze Scheiße doch nicht ausgesucht.«
    »Natürlich nicht, aber jetzt kannst du entscheiden, wie du weitermachst, voller Hass und Rache und Selbstmitleid oder …«
    »Oder was?«
    »Du könntest damit anfangen, dir selbst zu verzeihen und dir eine Chance zu geben.«
    »Und du, verzeihst du mir?« Aus den tausend Jahre alten Steinen tropfen Tränen und jetzt ist genau das passiert, was ich nicht wollte. Ich wollte sie nie wiedersehen und nicht wieder schwach werden.
    »Ich tu’s auch«, sage ich und hoffe, dass ich das nicht irgendwann bereuen werde.
    Sie streckt ihre Arme nach mir aus, zögert, schließlich gebe ich mir einen Ruck, gehe einen Schritt auf sie zu und dann liegen wir uns in den Armen und trösten uns gegenseitig.

44. Ally
    Landgraf wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 360 Tagessätzen Strafe verurteilt und er darf keine Klettergruppen mehr leiten. Die Presse hat ihn total fertiggemacht als den irren sexsüchtigen Lehrer mit den zwei Leben.
    Seine Münchner Frau hat die Scheidung eingereicht, Milas Mutter hat ihren Blumenladen geschlossen und ist zu einem Selbstfindungstrip nach Gomera abgereist. Mila hat erzählt, dass es ihr dort so gut geht wie seit Jahren nicht.
    Die bayerische Handwerkskammer hat Landgraf aus der Jury »entlassen«, aber er unterrichtet noch und in den Augen meiner Klassenkameraden ist er jetzt noch interessanter. Der verfemte Held, Abenteurer und Einzelgänger.
    Für mich ist er kein Held, sondern so etwas wie eine Schmarotzerpflanze, die ihren Wirt komplett aussaugt und dann zerstört zurücklässt. So viele Leben hat er kaputt gemacht. Und gerade als ich anfing, ihn zu bemitleiden, weil man ihm nicht einmal mehr zugestehen wollte, dass er ein wirklich guter Lehrer ist, da habe ich ihn nach der Schule in seinem Käfer mit einer Frau flirten sehen. Und einige Tage später wieder. Ich dachte erst, ich hätte eine Sehstörung, aber es war ganz eindeutig er, nur die Frau, mit der er da im Biergarten Händchen gehalten hat, das war schon wieder eine andere. Ich denke, er wird sich nie ändern.
    Jury hat nach zwei Monaten immer noch Schmerzen und studiert neben Jura und Medizin jetzt auch Akupunktur bei einem chinesischen Großmeister, um sich selbst besser helfen zu können. Er trifft sich mit Mila, aber die beiden sind, soweit ich das beurteilen kann, wirklich nur Freunde.
    Mila macht das Abi und wohnt nun ganz bei mir in der Nähe, sie will danach eine Weltreise machen und jobbt deshalb wie verrückt, um an Geld zu kommen.
    Sie fände es toll, wenn ich mitkäme, aber ich kann nicht. Und es ist nicht die Angst vor Bazillen und Keimen in tropischen Ländern, nein, ich bin gerade einfach unfassbar glücklich. Zum einen hat Tom gestern zum ersten Mal bei mir übernachtet und zum anderen bekomme ich morgen Abend den renommierten Nachwuchspreis für junge Goldschmiedetalente der
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