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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz
Autoren: Beatrix Gurian
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meiner Kehle, stattdessen wird mir irgendwie ganz komisch, nicht panisch, nein, flau und friedlich, so, als ob alle Kraft aus mir rausgespült würde. Die schwarzen Höhlenwände flackern wie ein gestörtes Fernsehbild und wirbeln um mich herum, langsam wie ein Babykarussell, dann schneller und schneller.
    »Mila«, sage ich, aber ich höre mich nicht, höre nichts mehr. »Mila, stell das ab. Bitte.«

37. Mila
    Ally liegt da wie tot. Ich klettere vorsichtig zu ihr hin, schüttle sie leicht. »Ally, komm zu dir.«
    Nichts. Verdammt, hat sie einen Herzanfall oder so was?
    Ich beuge mich tiefer über sie, höre, ob sie atmet. Nichts. Panisch versuche ich, ihren Puls am Handgelenk zu fühlen. Nichts.
    Nein, Ally, du darfst jetzt nicht sterben!
    Ich greife mit zitternden Fingern an ihren Hals, bin mir aber nicht sicher, ob es mein eigener Herzschlag ist, den ich da spüre, und drücke fester auf ihre Kehle, um mich zu vergewissern.
    Sie schlägt die Augen ruckartig auf, starrt mich entsetzt an und zuckt vor mir zurück. Ich lasse ihre Kehle sofort los.
    »Wolltest du ganz sichergehen, dass ich tot bin?«, fragt Ally und klingt sehr schwach.
    »Nein, ich wollte nur deinen Puls fühlen.«
    Sie verdreht ihre Augen und schließt sie dann wieder. »Den Puls«, flüstert sie. »Klar, Hel fühlt mir den Puls. Toller Witz.«
    »Ally, ich bin nicht Hel, ich will das alles nicht mehr, ich schwöre dir, ich bin hier, weil ich euch alle heil aus der Höhle rausbringen will.«
    »Bisschschn sschpät.« Sie schließt die Augen und sackt wieder weg.
    »Ally!« Jetzt schüttle ich sie. »Ally, reiß dich zusammen.«
    Ich lege ihren Kopf in meinen Schoß und weiß nicht mehr weiter. Wenn sie jetzt stirbt, dann …
    Plötzlich macht Ally wieder die Augen auf. »Mein Bein«, wispert sie.
    Sofort leuchte ich mit dem Helm ihre Beine ab. Und erst jetzt, nachdem das Licht auf ihre Beine fällt, sehe ich, was los ist. An ihrem linken Bein sind der Schlaz und die Jeans darunter aufgeschnitten. In ihrem Oberschenkel klafft eine Wunde, aus der unablässig Blut hervorsickert.
    Okay, okay, ganz ruhig bleiben und überlegen. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät. Ich schaue unter Allys Beine und sehe unheimlich viel Blut. Verdammt. Ich muss die Blutung stoppen, sofort! Immerhin, es spritzt nicht raus, also ist es keine Arterie. Aber Blut ist Blut, Mila, los, los. Wie viel Blut kann ein Mensch verlieren, ohne zu sterben?
    Immerhin hat sie einen Schleifsack dabei, vielleicht finde ich da etwas Nützliches. Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Diesen komisch gestreiften Schlaz kenne ich, er gehört Tom, genauso wie der Schleifsack. Ich drehe Ally zur Seite, nehme ihr den Schleifsack vom Rücken und durchwühle ihn nach der wasserfesten Verbandskiste, die Tom immer dabeihat.
    Als ich sie gefunden habe, zittern meine Hände derart, dass ich die Box kaum aufkriege, geschweige denn die sterile Kompresse aus der Verpackung fummeln kann.
    »Ally! Ally, bleib wach, rede mit mir!«
    Sie schlägt die Augen auf und murmelt etwas von schlafen. »Das geht nicht, Ally, du musst mir helfen. Hier, drück das fest auf dein Bein. Tut es weh?«
    »Nein, gar nicht«, flüstert sie und schließt die Augen.
    »Ally, warum bist du hier?« Ich muss sie bei Bewusstsein halten.
    »Um Landgraf und Jury rauszuholen.«
    »Dann darfst du nicht schlappmachen, reiß dich zusammen, okay?« Ich frage mich, wie sie es bis hierher geschafft hat, bei der Angst, die sie vor engen Räumen hat. »Wir verbinden dein Bein und dann müssen wir in die andere Richtung, durch den Briefkasten kommen wir so auf gar keinen Fall mehr zurück. Also, bitte hilf mit.«
    »Schsch«, macht Ally. »Hör mal.«
    Ich halte die Luft an. Da ist wirklich etwas, ein weit entferntes Hallo, es kommt aus der Nähe des Sees. Ich wickle hastig einen Verband um Allys Oberschenkel und sehe mit Grausen, dass er sofort durchblutet.
    »Ally, wir müssen los, bevor die beiden noch weiter in die Irre gehen. Kannst du dich aufrichten?«
    Sie versucht es, sackt aber wieder zurück. Ich werde sie stützen. Ich nehme alle Gurte, den Schleifsack und stehe auf. »Du musst dich an mir festhalten und dann gehen wir in Babyschritten auf die andere Seite, dort gibt es einen schönen See mit Sandstrand, da kannst du dich dann wieder ausruhen, während ich die beiden suche.« Was rede ich denn da für ein blödes Zeug? Der See ist eiskalt und der Sand ist nicht viel wärmer, aber ich will sie nicht alleine hier
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