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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz
Autoren: Beatrix Gurian
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das waren echt dumme Fantasien, ungefähr so realistisch wie die Mädels, die auf einen Sieg bei DSDS hoffen, aber aussehen wie eine Fünf-Sterne-Vogelscheuche und so schön singen wie ein Waldkauz. Die Enttäuschung sitzt trotzdem tief und Ferdis Worte fühlen sich auch jetzt noch wie Nadelstiche an. Wie kann jemand nur so gemein sein?
    Die Gedanken in meinem Kopf fahren Achterbahn und mir fällt plötzlich ein, dass er mir meinen Schmuck noch nicht zurückgegeben hat. Vielleicht will er mich ja doch noch mal sehen, vielleicht hat ihn seine Freundin gezwungen, so etwas zu sagen? Ja genau, Ally, und die Sterne fallen vom Himmel …
    Trotzdem zerre ich mein Handy aus der Tasche und lege es vor mich auf den Tisch. Ist mir egal, was Landgraf dazu sagen wird. Vielleicht simst Ferdi mir noch, um einen Termin für die Übergabe zu machen. Ich starre auf das Display meines Handys und flehe es an, eine neue SMS anzukündigen. Ich mache Deals mit einer Schicksalsmacht, mit Gott, mit der Gerechtigkeit oder was auch immer: Wenn ich es schaffe, eine Minute lang nicht zu atmen, dann meldet er sich, sagt, es tue ihm leid und dass seine dämliche Freundin ihn dazu gezwungen hat, so abfällig über meine Entwürfe zu reden. Nein, ich muss es schon zwei Minuten schaffen.
    Ich halte die Luft an. Dreißig Sekunden, vierzig, fünfzig, eine Minute. Ich muss husten, verdammt. Es klingt mehr wie ein ersticktes Röcheln. Landgraf schaut mich stirnrunzelnd an, ich wende den Blick ab und starre wieder auf mein Handy. Und obwohl ich so kläglich versagt habe, scheint das Schicksal Erbarmen mit mir zu haben – eine SMS. Mit zitternden Fingern öffne ich die Nachricht.
    Sie ist nicht von Ferdi, sondern von Mila. Wenn ich nicht so traurig wäre, müsste ich über meine schwachsinnige Erwartung lachen und dann froh sein, von Mila zu hören, denn sie mag mich seltsamerweise. Und sie würde ganz bestimmt niemals so etwas Gemeines zu mir sagen.
    Sie will wissen, ob ich heute Abend zu einer Flashmob-Aktion in der U-Bahn-Station Giselastraße mitkommen will. Das fragt sie nur, weil sie mich noch nicht gut genug kennt, sonst wüsste sie, dass ich eher sterben würde, als da hinzugehen. Sie ist viel cooler als ich. Bis vor Kurzem wusste ich nicht mal, was Flashmob überhaupt ist. Eine Spontanparty, bei der jemand im Internet postet, wo am Abend die Party steigt, und alle, die Lust haben, gehen hin. Mila weiß so was, obwohl sie in einem öden Vorort von Augsburg wohnt und ich in München.
    Hey, wär doch chillig, bei dir zu übernachten , schreibt sie weiter. Hab keinen Bock mehr, danach zurück nach Augsburg zu fahren. Wie sieht’s bei dir aus? Oder hast du schon was anderes vor?
    Wenn es nicht so extrem demütigend wäre, würde ich gerade am liebsten den Kopf auf den Tisch legen und heulen, denn die traurige Wahrheit ist nämlich die: Ich habe nichts vor. Seit ich Ferdi den Schmuck gegeben habe, warte ich auf seine Antwort und habe mir jeden Abend freigehalten für den Fall, dass er für die Fotoaufnahmen zu mir kommen würde. Und auch wenn ich mir hunderttausendmal gesagt habe, dass die Wahrscheinlichkeit so hoch ist wie die, dass Obama über Nacht ein Weißer wird, konnte ich trotzdem nicht damit aufhören zu hoffen.
    Lena, meine allerbeste Freundin, die mir das alles sicher ausgeredet hätte, ist für ein Jahr in Neuseeland und sonst ist da außer Mila nur noch mein genialer Superbruder, und mit dem rede ich nie über Jungs. Ich hab’s wirklich versucht mit den Mädels in meiner Klasse, aber in Cliquen rumzuhängen, gibt mir das Gefühl zu ersticken und shoppen ist schon gar nicht mein Ding. Und während sich die anderen dreimal hintereinander »Sex and the City« reinziehen, gehe ich am liebsten in alte Schwarz-Weiß-Schnulzen.
    Ich versuch’s noch mal mit Luftanhalten und starre auf mein Handy. Diesmal schaffe ich neunzig Sekunden. Aber es passiert nichts. Mein Bauch fühlt sich so leer an, als hätte ich seit Wochen nichts gegessen, und trotzdem sticht es bei jedem Atemzug darin, als hätten böse Feen ihn mit Nadeln gespickt. Abscheulich!
    Noch eine SMS. Wieder Mila. Sie will wissen, ob es okay ist, wenn sie zu mir kommt, weil sie sonst anders planen muss.
    Ich zwinge mich, kurz darüber nachzudenken. Ich mag nicht, dass jemand in meinem Bett schläft, der vorher bei ’ner Flashmob war. All diese Bazillen in meinem Bett … Nein, danke.
    Aber ich möchte Mila nicht kränken, denn wenn ich ablehne, denkt sie bestimmt, ich würde sie nicht
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