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Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Titel: Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Gier
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wieder ganz die Alte. Und du hast jetzt die Wahl: Willst du ein Mensch bleiben, der ausschließlich Probleme verursacht und nicht mal seine eigene Scheiße wegmachen kann, oder willst du mir helfen, diese vom Aussterben bedrohte Familie zu retten?«
    Das Wort »Aussterben« schien Philipp Angst zu machen.
    »Ich helfe dir«, sagte er hastig. »Und, Hanna, als ich gesagt habe, du seist dick und patent, da meinte ich damit nicht, dass du dick und patent bist. Ich meinte nur, dass du dick und patent bist, aber in einem anderen Sinn als dick und patent.«
    Ich kniff meine Augen zusammen. »Ach, weißt du Philipp, vielleicht sollten wir uns solch tief schürfende Gespräche noch für später aufheben. Du musst dein Gehirn auch erst mal ganz langsam wieder an die ungewohnte Denkerei gewöhnen. Okay, jetzt gehst du als Allererstes mal mit Leander rüber ins Atelier und weckst Mama. Zeig ihr Tonis Zettel und guck traurig. Das kannst du doch so gut.« Ich lächelte Henriette und Finn an. »Und wir kleinen Racker gehen in die Küche. Habt ihr schon gefrühstückt?«
    Leanders Kinderwagenuntergestell war randvoll gepackt mit Windeln und Anziehsachen und einer Kühltasche, die unzählige Beutelchen mit abgepumpter Muttermilch enthielt. Danach zu urteilen hatte Toni offenbar vor, ein ganzes Jahr lang wegzubleiben. Ich packte die Muttermilchbeutel sofort in die Tiefkühltruhe.
    Philipp und Leander kamen zurück, mit Mama im Schlepptau. Sie hatte verheulte Augen, machte aber ein gezwungen fröhliches Gesicht und umarmte die Kinder, die sich gerade guter Dinge über Marmeladenbrote hermachten.
    Dann flüsterte sie mir zu: »Wir dürfen die armen Kinder auf keinen Fall aufregen! Das Unglück in dieser Familie nimmt einfach kein Ende. Wie sollen wir Toni nur finden? Und wo ist dieser verdammte Justus? Ich sage es nur ungern, aber wir müssen die Polizei einschalten.«
    »Ja«, sagte Philipp. »Die können vielleicht mit Suchhunden …«
    »Ach, papperlapapp«, sagte ich. »Versteht ihr denn nicht? Toni möchte einfach mal in Ruhe schlafen. Sie hat uns schließlich lange genug die Ohren damit vollgejammert, und jetzt war sie offenbar an einem Punkt angekommen, an dem sie einfach nicht mehr konnte. Also hat sie das Nötigste zusammengepackt, uns die Kinder vor die Tür gestellt und sich ein gemütliches Bett zum Schlafen gesucht.«
    »Du meinst, sie ist einfach wieder nach Hause gefahren?«, fragte Mama.
    »Nein, das denke ich nicht. Da könnte sie ja gestört werden. Nein, sie hat sich irgendwo verkrochen. Und wenn sie ausgeschlafen hat, dann wird sie schon wieder kommen.«
    »Aber sie hat doch geschrieben, falls ich nicht wieder aufwache, kümmert euch um die Kinder«, sagte Philipp.
    »Weißt du, jemand, der seit vier Jahren nie mehr als zwei Stunden am Stück geschlafen hat, der glaubt, wenn er erst einmal in den Tiefschlaf gefallen ist, wird er nie wieder wach«, sagte ich. »Vertraut mir, Toni geht es gut. Wahrscheinlich streckt sie sich gerade selig in einem Bett aus, stöpselt sich Ohropax in die Gehörgänge und gähnt voller Vorfreude.«
    Meine Mutter atmete tief durch. »Also sollten wir besser gar kein solches Theater darum veranstalten?«
    »Im Gegenteil«, rief ich. »Im Gegenteil! Je mehr Theater wir veranstalten, desto besser. Damit schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich werde jetzt bei Jost im Hotel anrufen und ihm vorlesen, was Toni geschrieben hat. Er wird sich furchtbar aufregen, aber Gott sei Dank hat er ja kein schwaches Herz. Wenn er herkommt – und das wird er – sollte hier nichts mehr an die vergangene Woche erinnern. Also, weg mit den Salzkristalllampen, den Rosenquarzen und den Räucherstäbchen. Zieht die Rolläden hoch und reißt alle Fenster auf. Und keiner darf traurig gucken oder gar weinen! Alles, was ich von euch sehen will, ist ein tapferes Lächeln. Dazwischen müssen wir irgendwie herausfinden, wo Justus’ Fortbildung stattfindet, und wenn wir ihn am Telefon haben, werden wir ihm unsere allerschlimmsten Befürchtungen mitteilen. Es würde mich sehr wundern, wenn er nicht hier wäre, noch bevor Toni ausgeschlafen hat. Und dann müssen wir ihn weichklopfen: Keine Überstunden mehr und keine Fortbildungen, außer im Notfall, außerdem ein Au-pair-Mädchen und einmal die Woche eine Putzfrau. Sonst bekommt er Toni nicht zurück.«
    Mama und Philipp schienen allmählich zu begreifen, was ich vorhatte.
    »Ich könnte mit den beiden Großen den Rasen mähen«, schlug Philipp vor. »Das
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