Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Titel: Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
denn als er sich zu uns umdrehte und mich erblickte, starrte er mich an wie man jemanden anstarrt, der gerade aus einem außerirdischen Raumschiff gestiegen ist.
    »Sieh mal, wen ich dir hier bringe, Adam«, sagte Annika, und die Freude in ihrer Stimme war dabei nicht zu überhören.
    Ja, sieh nur her, hier bringe ich dir die Irre, mit der du gestern Abend Weinbergschnecken bemalt und herumgeknutscht hast. Wenn Annika das gewusst hätte. Ich erlaubte mir ein feines Lächeln.
    Birnbaum starrte mich immer noch sprachlos an. Seine Verwirrung tat mir aus irgendeinem Grund richtig gut.
    »Sei ge-grüßt, Erd-ling«, sagte ich und wackelte dazu nach Art der Außerirdischen mit dem Kopf. »Bidibidibidi.«
    »Johanna«, brachte Birnbaum immerhin hervor.
    »Da bin ich aber froh, dass Sie mich erkennen«, sagte ich. »Also habe ich doch nicht zuviel Make-up aufgetragen.«
    Annika brach in haltloses Gekicher aus. »Da bist du baff, was, Adam? Ich wusste, dass die Überraschung gelingen würde.« Immer noch kichernd nahm sie die Tischkarte neben Birnbaums Platz auf. »Frieda Fredemann«, las sie. »Was hast du geglaubt, wer das ist, Adam? Eine alte, angeheiratete Tante, von der du noch nie gehört hast und die dich den ganzen Abend mit Geschichten von ihren Enkelkindern langweilen wird? Ha, da habe ich dich aber ganz schön an der Nase herumgeführt, was? Es gibt keine Tante Frieda in unserer Familie.« Aus ihrem Handtäschchen holte sie eine andere Karte aus grauem Büttenpapier hervor und stellte sie auf Tante Friedas Platz. »Ich hab wirklich an alles gedacht, oder?«
    Auf der neuen Tischkarte stand mein Name, Johanna Rübenstrunck, in goldener Druckschrift. Das verwirrte mich zugegebenermaßen.
    »Ich soll hier sitzen?«, fragte ich. »Ich dachte, Sie hätten mich als Tischdame für Ihren Cousin enga- äh – eingeladen.«
    Annika kicherte wieder. »Ist sie nicht witzig, Adam? Ich bin sicher, dass sie dich weit besser unterhalten wird, als eine Tante Frieda das je gekonnt hätte. Verzeih mir bitte meinen Überfall, aber ich konnte einfach nicht widerstehen. Du weißt ja, Verkuppeln ist mein liebstes Hobby. So, jetzt muss ich euch leider wieder alleine lassen, da sind noch eine Menge Gäste zu begrüßen, aber wir haben sicher später noch Gelegenheit, miteinander zu reden. Viel Spaß, ihr beiden.«
    Ich verfluchte mich dafür, dass ich den Sekt so haltlos in mich hineingekippt hatte. Als ob ich nicht schon verwirrt genug gewesen wäre.
    »Aber wo ist denn jetzt Ihr Cousin?«, fragte ich. Aber Annika war schon auf ihren beeindruckend hohen Absätzen davongeklappert.
    »Ich bin der Cousin, Johanna«, sagte Birnbaum.
    »Sie?«
    »Natürlich.« Birnbaum zog mich am Ärmel. »Setzen Sie sich.«
    Ich blieb lieber stehen. »Sie wollen also der warzige Cousin sein?«, fragte ich begriffstutzig.
    Birnbaum seufzte. »Nicht warzig, nur Cousin. Haben Sie das nicht gewusst? Fredemann ist doch mein Onkel. Mein Patenonkel, um genau zu sein. Ergo muss seine Tochter meine Cousine sein. Jetzt setzen Sie sich doch endlich!«
    »Fredemann ist Ihr Onkel?« Nun ließ ich mich doch besser auf meinen Stuhl plumpsen, bevor meine Beine unter mir nachgaben.
    »Ja, natürlich. Haben Sie das nicht gewusst? Ich dachte, die ganze Redaktion zerreißt sich das Maul darüber, dass ich mit dem Chef verwandt bin.«
    Nein, so war es nicht! Die ganze Redaktion zerriss sich das Maul darüber, dass er die Tochter vom Chef bumste. Aber das entsprach offensichtlich nicht der Wahrheit. Wenn Annika seine Cousine war, durfte er dergleichen definitiv nicht tun, denn das wäre sonst so was wie Inzest gewesen, oder?
    Cousine.
    Sie war seine Cousine.
    Dumpf brütend starrte ich vor mich hin.
    »Jetzt sagen Sie doch mal etwas«, forderte mich Birnbaum auf.
    »Ich finde, hier fehlen ein paar Luftballons«, sagte ich. Ich hielt einen vorbeieilenden Kellner an und nahm mir noch ein Glas Champagner vom Tablett. Aber obwohl ich es genauso schnell hinunterspülte wie die anderen, widerfuhr mir keine Erleuchtung.
    Birnbaum seufzte wieder. »Wirklich, Johanna, ich bin genauso überrascht wie Sie.«
    »Ach, Sie wussten bisher auch noch nicht, dass Annika Ihre Cousine ist?« Allmählich wich meine dumpfe Verwirrtheit einer unbestimmten Wut. Ja, ich war stinkwütend auf Birnbaum, weil er mich hatte glauben lassen, dass er mit einer Superblondine zusammen war.
    »Was ist denn daran so schlimm?«, wollte er wissen. »Ich habe einen ganzen Haufen Cousinen.«
    »Was daran so schlimm ist?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher