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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten
Autoren: Marian Keyes
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ich nur kurz innehielt, um zu sehen, ob in letzter Zeit irgendein an Depressionen leidender Mensch einen Bericht über sein Leben veröffentlicht hatte) und landete wie durch Zauberei jedesmal vor dem Regal mit den Selbsthilfe-Ratgebern. Dort schmökerte ich stundenlang in Büchern, von denen ich hoffte, daß sie mir helfen würden, weil ich in ihnen die magische Formel fände, die dem nahezu beständigen Nagen in mir ein Ende bereitete oder es zumindest linderte.
    Natürlich waren viele dieser Bücher zur Lebenshilfe so voll von abgedrehtem Schwachsinn, daß sie den glücklichsten und ausgeglichensten Menschen zur Verzweiflung treiben konnten. Es gab Bücher, bei denen sogar Leute, die so bekloppt waren wie jemand aus San Francisco, Schwierigkeiten gehabt hätten, nicht laut herauszulachen. Titel wie Kein Platz für Platzangst oder Hinweise wie Ein Buch, das jeder Kleptomane einfach mitnehmen muß, waren keine Seltenheit.
    Dennoch kaufte ich gewöhnlich irgendein kleines Bändchen, das mich ermutigte. Da gab es Die Angst spüren und überwinden oder Heilung durch Glauben, und es kam auch vor, daß man mir ein solches Buch empfahl: Entdecken Sie das Kind in sich oder mich aufforderte, über die Frage nachzudenken Warum du mich lieben mußt, bevor ich mich lieben kann.
    Was ich wirklich brauchte, war ein Ratgeber, der mir half, keine Ratgeber mehr zu kaufen, da sie mir nicht halfen. Mit den Worten meines Vaters: sie waren nutzloser Mumpitz.
    Ihretwegen bekam ich ein richtig schlechtes Gewissen. Es genügte nicht, sie zu lesen – wenn das, was drin stand, klappen sollte, mußte ich auch etwas tun: mich zum Beispiel vor einen Spiegel stellen und mir hundertmal am Tag vorsagen, ich sei schön. Das nannte man Affirmation. Oder ich mußte mir jeden Morgen eine halbe Stunde lang vorstellen, daß man mich mit Liebe und Zuneigung überschüttete – das hieß Visualisierung. Oder ich mußte Listen schreiben, in denen alles Gute stand, was es in meinem Leben gab – das nannte man Listen von allem Guten schreiben, das es in seinem Leben gibt.
    Gewöhnlich las ich ein solches Buch, tat ungefähr zwei Tage lang, was darin empfohlen wurde, bis es mich ermüdete oder langweilte oder meine Brüder es mir wegnahmen, während ich verführerisch auf mein Spiegelbild einredete. (Nie habe ich den Spott und Hohn vergessen, der jedesmal darauf folgte.)
    Anschließend fühlte ich mich deprimiert und schuldbewußt. Also sagte ich mir, daß das Buch von einer grundfalschen Voraussetzung ausgehen mußte, da ich mich nicht besser fühlte, woraufhin ich das ganze Vorhaben mit reinem Gewissen aufgeben konnte.
    Ich habe auch manches andere ausprobiert – allerlei Heilöle, Vitamin B 6 , körperliche Bewegung bis zur Erschöpfung, Suggestopädie-Tonbänder (unterschwellig wirkende Kassetten, die man im Schlaf laufen ließ), Yoga, Bachblüten, den Aufenthalt im Schwebebassin, Shiatsu, Massage mit aromatischen Ölen und Reflexzonenmassage. Eine Zeitlang habe ich mich von nichts anderem als von Lebensmitteln ohne Hefe ernährt, dann von glutenfreien, später von solchen ohne Zucker und schließlich von solchen, die keinerlei Nährstoffe enthielten. Außerdem habe ich abwechselnd vegetarisch gegessen und dann wieder Unmengen Fleisch vertilgt (ich weiß nicht, ob es für diese Therapie einen Namen gibt), habe ein Ionisierungsgerät verwendet, einen Kurs zur Stärkung meines Selbstbewußtseins besucht und einen Kurs, bei dem ich lernen sollte, positiv zu denken. Ich habe mich in frühere Phasen meines Lebens zurückversetzt, mich Gebets-, Meditations- und Traumtherapien unterzogen und schließlich sogar einer Sonnen-Therapie (eigentlich war das ein Urlaub auf Kreta). Eine Zeitlang habe ich ausschließlich von Milchprodukten gelebt, dann eine Weile vollständig auf sie verzichtet (ich hatte den Artikel beim ersten Lesen falsch verstanden), dann wieder meinte ich, mein sofortiger Tod sei unvermeidlich, wenn ich auch nur einen einzigen Tag ohne eine Tafel Schokolade auskommen müßte.
    Auch wenn mich keiner dieser Schritte dem Heil nähergebracht hatte, war doch zumindest für eine Weile eine gewisse Wirkung von ihnen ausgegangen, und ich war nie wieder so deprimiert wie einst.
    Aber Mrs. Nolan hatte gesagt, es könne besser werden, wenn ich mir helfen ließe, ich müsse es nur zulassen. Hätte ich doch nur ein Tonbandgerät mit zu ihr hineingenommen! Ich konnte mich nicht an den genauen Wortlaut erinnern. Was sie wohl gemeint hatte?
    Das einzige,
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