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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte
Autoren: Jobst Mahrenholz
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er weder Fragen noch wirkte er besonders interessiert.
    »Wieso willst du Koch werden?«, fragte ich ihn schließlich, während ich Fischgräten, Garnelenpanzer und die Köpfe der Tiere in einer Kasserolle kräftig anbriet. Die Frage stellte sich einfach.
    »Wer sagt, dass ich es will?«
    Ich war gerade dabei, Tomatenmark zu den Karkassen zu geben und hielt abrupt im Rühren inne.
    »Ich weiß nicht, ob es das Richtige ist, für mich...«, kam er mir zuvor, »...aber ich werde es versuchen.«
    »Dein Vater sagte meinem Vater...«
    » Mein Vater!« Shiro lachte trocken, in seiner heiseren Art. »Mein Vater weiß natürlich ganz genau, was für mich das Richtige ist. Das wusste er schon immer...«  
    Oups. Was war das? Ich betrachtete ihn, wie er lässig eine schwarze Haarsträhne aus seiner Stirn strich und mich dabei abwartend beobachtete.
    Schließlich hielt ich ihm einfach einen großen Stieltopf unter die Nase.
    »Wasser...«
    Er tat, was ich ihm sagte und füllte den Topf bis zum Rand.
    »Und jetzt hier rein.« Nun deutete ich auf die Kasserolle. Shiro tat, was ich verlangte und sofort entstand ein kräftiger, scharfer Duft, der sich in Form einer dichten Dampfwolke in der Küche verbreitete.
    »So...«, sagte ich schließlich, nachdem der Fond nun damit beginnen konnte, Aroma zu entwickeln, »...jetzt hast du das erste Mal im D’Agosta gekocht.«
    Einen Moment stutze Shiro, aber dann nickte er begreifend, und so etwas wie ein vorsichtiges Lächeln flog über sein Gesicht.
    »Und es riecht wirklich gut«, sagte er nur und dies erstmals irgendwie freundlich.
     
    Der Nachmittag verlief dann eigentlich besser als gedacht. Anna lockerte die Situation auf ihre Weise auf, in dem sie hochneugierig immer wieder in der Küche auftauchte, um den 'Chinesen' sehen zu wollen. Shiro schien damit allerdings kein Problem zu haben. Anscheinend passierte ihm das öfter.
    An diesem ersten Nachmittag gab ich ihm nach und nach einfache Dinge zu erledigen und ich hatte das Gefühl, dass ihm das nichts ausmachte. Dabei erklärte ich ihm jedes Mal, was ich gerade tat und vor allem warum. Er hörte aufmerksam zu und folgte all meinen Bewegungen mit seinen Augen. Das schien so ein Tick von ihm zu sein. Tatsächlich stellte er sich nicht dumm an. Ich ließ ihn zwar nicht an die Messer, aber im Grunde kann man schon am Rühren oder Ei-Aufschlagen erkennen, ob jemand zwei linke Hände hat oder eben nicht.
    »Wieso bist du nicht in Perugia geblieben?«, fragte ich ihn irgendwann, bevor mir klar wurde, wie das klingen musste. »Deine ganzen Freunde leben doch schließlich da.«, versuchte ich es freundlicher.
    »Eben, drum.« Seine Antwort ließ kein Nachfragen zu. »Aber hier soll's ja auch ganz okay sein, hab ich gehört. Das Meer und so...«
    Er sagte das eher mechanisch, so als müsse er es so sehen und so hakte ich nicht weiter nach. Überhaupt war es schwierig, ein ganz normales Gespräch mit ihm zu führen. Doch zumindest war seine anfängliche Ablehnung verschwunden. Das war doch was. Ich erzählte ein bisschen von Fano, wie es so ist, wenn die Touristen einfallen. Ich beschrieb ihm, wie ich nachts, nachdem meine Schicht vorbei war, manchmal noch ans Meer fuhr, um ein paar Meter raus zu schwimmen. Ich erzählte von den hiesigen Festen, die im Laufe des Jahres gefeiert würden und von den Spezialitäten, die wir dann zubereiten müssen. Ich sprach über meine Familie, gab ihm Tipps, mit wem von ihnen man wie umzugehen hatte, wen man was fragen konnte und wen besser nicht. Und er hörte sich alles aufmerksam an, mit seinen wachen Augen und dem ernsten Gesicht.
    Schließlich waren die Fonds ausreichend reduziert, das Fleisch pariert und die Gemüse soweit vorbereitet, dass die Arbeit bis zum Abend erledigt war.
    »So, fertig!«, sagte ich, während ich mir die Hände abtrocknete. »Hast du einen Roller?«
    Blöde Frage. Natürlich hatte er keinen. Er war schließlich mit dem Zug gekommen. Aber zu meiner Überraschung nickte er.
    »Steht in Ancona. Ich muss ihn noch abholen. Hab ihn am Bahnhof abgestellt.«
    Ich überlegte, wie viel Zeit bliebe, bevor das Abendgeschäft losging, aber es war zu spät.
    »Das erledigen wir morgen«, sagteentschied ich daher und fand mich richtig nett dabei.
    So endete das erste Zusammentreffen mit Shiro Comero.
    Was blieb, war ein eigenartiges Gefühl. Und erstaunlicherweise merkte ich, wie all der Ärger, der mich die letzte Zeit begleitet hatte, mit einem Mal gegenstandslos geworden war. Warum, war mir
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