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Love Alice

Love Alice

Titel: Love Alice
Autoren: Nataly Elisabeth Savina
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stinkenden Restmüll zusammen. Meine Augen brennen und meine Nase läuft. Als ich mich aufrichte, sehe ich Cherry. Sie steht draußen vor dem Haus und starrt auf das Küchenfenster.
    Am nächsten Morgen entscheide ich mich, die Schule zu schwänzen. Ohne es Mama zu erklären, lege ich mich wieder ins Bett, sobald sie das Haus verlassen hat. Ihre Premiere rückt näher, ihre Proben beginnen jetzt früh. Angezogen liege ich unter der Decke und starre vor mich hin. Ich weiß, dass ich irgendwann wieder einschlafen werde und dann nicht mehr nachdenken muss. Gerade als ich kurz davor bin, knallt ein Steinchen gegen mein Fenster. Ich schrecke von dem kratzenden Geräusch auf, da rumst ein größerer Kiesel gegen die Scheibe. Ich versuche, nicht zu reagieren, stelle mich tot, bewege nicht einen Arm oder Bein, bis es aufhört. Ich zähle siebzehn Steine.
    Als die Pause anhält, rolle ich mich zusammen und spähe aus dem Fenster. Cherry ist nirgends zu sehen. Ich stehe auf, gehe ins Bad und kämme mir die Haare. Gerne würde ich ihr sagen, dass ich nicht auf sie warte, doch das wäre gelogen. Insgeheim merke ich, wie froh ich wäre, noch viel mehr und immer weiter Steine zu zählen. Ohne dass ich es möchte, werde ich innerlich so hibbelig und aufgekratzt, dass ich es kaum noch zu Hause aushalte. Aber ich will Cherry nicht das Gefühl geben, dass ich ihr nachrenne, und so schnappe ich mir das elende Altpapier. Damit sie bloß nicht auf falsche Gedanken kommt.
    Cherry ist nirgends zu sehen. Komischerweise finde ich hinter dem Papiercontainer ihre Schultasche. Ich sehe mich um, schließlich suche ich sie im Gebüsch. Cherry ist nirgends zu entdecken.
    Kaum dass ich den Container aufschiebe, kommt mir ein dröhnendes Gebrüll aus den Untiefen des Papiermülls entgegen. Cherry fliegt mir entgegen, wie ein Springteufel aus der Kiste. Ich erschrecke mich zu Tode und muss lachen, auch wenn ich nicht will. Um nicht noch mehr zu lachen, drehe ich mich um und will gehen. Aber Cherry hält mich an der Hand.
    »Alice, warte. Alice!«, ruft sie und klettert aus dem Papiercontainer. »Ich muss dir etwas sagen, es ist wichtig«, sagt sie.
    Ich bleibe stehen. Cherry starrt mich an und schweigt. Ich warte.
    »Also was?«, sage ich.
    »Ich kann nicht. Ich kann es dir doch nicht sagen«, sagt Cherry dann. »Aber du hast mir eine Zeichnung versprochen, für mein Heft.«
    Ich nicke und hoffe, dass es völlig unterkühlt wirkt. Vielleicht will ich sogar bleiben, aber irgendwie habe ich überhaupt keine Lust, Cherry die Versöhnung leicht zu machen. Ich rufe mir den Schmerz in Erinnerung, den sie mir zugefügt hat, und beiße mir auf die Lippen. Cherry läuft hinter mir her.
    »Hast du mich gehört?«, fragt sie.
    Sie nimmt noch mal meine Hand, die ich sofort wegziehe.
    »Du hast dich nicht verabschiedet«, sage ich und fühle mich auf einmal butterweich. »Und dann … warum hast du … du hast …«
    Ich verstumme, meine Augen fangen wieder an zu brennen.
    »Ich weiß es nicht. Ich bin ein Idiot!«, sagt Cherry und stampft mit dem Fuß auf die Erde, um mir zu zeigen, wie sehr sie sich über sich selbst ärgert und wundert.
    »Du bist meine beste Freundin«, sagt sie. »Du musst in das Heft reinzeichnen. Bitte. Mach das für mich, bitte.«
    »Du spinnst doch total!«, sage ich.
    »Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht. Für das nächste Mal, wenn du auf mich böse bist«, sagt Cherry, verschränkt die Arme und macht einen Schritt nach hinten. »Nein, warte. Wenn wir uns das nächste Mal lange, lange nicht gesehen haben und du mich vermisst, dann machst du es auf«, sagt sie dann. Sie nimmt meine Hand. Diesmal lasse ich es zu.
    »Ich will nicht, dass wir Streit haben«, sagt Cherry, drückt meine Finger fest zusammen und lässt sie wieder los.
    »Aber warum …«, sage ich.
    »Ich weiß nicht. Ich spinne«, sagt Cherry.
    Wir stehen nebeneinander und schweigen. Ich höre die Vögel zwitschern und sehe, wie Cherrys Haare an der Stirn im Wind zittern.
    »Und ich finde Andy zum Kotzen«, sagt Cherry.
    Aus einem offenen Fenster hallt plötzlich »Please forgive me« von Brian Adams über unsere Köpfe. Wir wollen beide so tun, als sei das total egal und ein blöder Zufall. Aber wir kriegen beide feuchte Augen und können uns auch das Grinsen nicht verkneifen. Cherry wendet sich ab und wischt sich eine Träne aus dem blau geschminkten Auge.
    »Wo ist mein Geschenk?«, frage ich.
    Cherry klettert zurück in den Altpapiercontainer und hebt ein rechteckiges
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