Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Love Alice

Love Alice

Titel: Love Alice
Autoren: Nataly Elisabeth Savina
Vom Netzwerk:
dass ich Ablenkung habe. Ich bin verkrampft und kann die Anspannung nicht abschütteln, ich sehe, wie Cherry in einiger Entfernung mit Tuula redet. Kerkko erwartet offenbar, dass ich etwas antworte, aber ich sage nichts. Ich bin erleichtert, als Nesrin mich zu sich winkt. Cherry würdigt mich weiterhin keines Blickes, während ich Nesrin die Mathehausaufgaben abschreiben lasse.
    »Jetzt noch die Nummer Zehn. Habt ihr euch gestritten?«, fragt Nesrin. Ich schüttle übertrieben heftig den Kopf.
    Nesrin blättert ihre Heftseite um, schreibt. Dann schaut sie unvermittelt auf, ich folge ihrem Blick.
    Vor dem Schuleingang tauchen Andy und seine zwei Kumpels auf, die wie Affen Grimassen schneiden und herumspringen. Ich sehe genauer hin und erkenne, dass die Jungs zwei Schultaschen schleppen – die von Cherry und mir. Ohne einander anzusehen, rennen wir ihnen nach, sie hauen ab, wir verfolgen sie durch die Glastüren. Andy, Stef und Rainer flüchten grölend und trampelnd wie eine Herde Elefanten. Andy biegt in die Toilette ein, Stef und Rainer folgen ihm, wir hinter ihnen her wie ein Paar wütender Bienen.
    Sobald ich und Cherry in der Toilette sind, schnappen uns Stef und Rainer und halten uns fest. Wir müssen zusehen, wie Andy lustvoll unsere Schulsachen nacheinander aus den Schultaschen fischt und in die Kloschüssel stopft.
    »Und jetzt runterspülen!«, ruft er und dann: »Haha, noch nicht.«
    Auf einmal lässt er einen triumphierenden Schachtruf los. Er hält Cherrys Heft hoch. Ich halte die Luft an. In diesem Moment windet sich Cherry mit einer geschickten Bewegung frei und springt auf Andy zu. Rainer hält mich immer noch im Klammergriff, obwohl ich um mich trete. Andy weicht Cherry aus und hält das Heft über die Kloschüssel. Sie erstarrt und hält wutschnaubend inne.
    »Willst du das hier?«, fragt Andy dreist.
    Cherry ist unerwartet schnell und reißt das Heft Andy aus der Hand.
    »Wollte ich eh nicht!«, ruft Andy, um seine Überraschung zu überspielen.
    Er dreht sich um und steht nun direkt vor mir. Ich versuche, mich wieder loszureißen, Rainer tritt beiseite, Andy sieht mich an, direkt in die Augen. Bevor ich irgendetwas sagen oder denken kann, küsst er mich plötzlich auf den Mund. Überrascht starre ich ihn an. Ich vergesse komplett, dass ich empört und angewidert sein sollte. Dann schubst Cherry Andy zur Seite – und anstatt mir zu helfen, tritt sie mit voller Wucht gegen mein Schienbein.
    Der Schmerz zieht mein Bein hoch bis in den Rücken. Ich lande auf dem gekachelten Boden. Auch die Jungs sind erschrocken. Rainer bietet mir seine Hand an, aber ich schubse seine schwitzige Pfote weg und rappele mich alleine hoch. Als die Schulklingel ertönt, latschen Andy, Rainer und Stef schweigend davon, ohne sich umzudrehen.
    Cherry rührt sich nicht von der Stelle und starrt mich an. Ich wende mich von ihr ab, ziehe unsere Sachen aus der Kloschüssel, stopfe meine Hefte und Bücher in meine Schultasche. Dann wasche ich meine Hände und mein Gesicht mit Seife. Als ich fertig bin, steht Cherry immer noch da, mit einem trotzigen Gesicht, ihr Heft fest in der Hand. Sie schlägt es auf und starrt hinein, als würde sie gleich laut daraus vorlesen. Ich verlasse den Raum, ohne sie noch einmal anzusehen.
    Zu Hause lege ich mich auf mein Bett. Schniefend streichele ich meinen Plüschvogel. Mein Handy ist auf lautlos gestellt und beginnt bald zu vibrieren, stundenlang. Ich unterdrücke mein Schluchzen, als könnte Cherry mich hören. Irgendwann kommt der Moment, in dem ich die Anrufe unerträglich finde, ich drücke mir ein Kissen auf die Ohren.
    Später wache ich davon auf, dass die Haustürklingel klingelt. Sie klingelt lang, ohne Unterbrechung. Ich bin kurz verwirrt, aber dann fällt mir ein, dass Mama heute später kommt.
    Ich öffne die Tür meines Zimmers und brülle die Wohnungstür an:
    »Hau ab, ich will dich nie wieder sehen!«
    Meine Stimme bricht. Aber sie klingt trotzdem nicht so piepsig wie sonst, wenn ich weine. Abrupt verstummt das Klingeln. Ich gehe in die Küche, schütte mir Schokopops in eine Schüssel und überlege kurz, ob ich mir ein Eis machen sollte. Aber ich finde keinen offenen Wein und der Kaffeelikör ist auch weg. Also nicht. Dann eben Schokopops.
    Mir fällt auf, wie dreckig unsere Küche ist. Als wären wir wochenlang verreist und jemand anderes habe hier gehaust und niemals abgespült. Ich sammle das Geschirr in der Spüle, stopfe Zeitungen in die Altpapiertüte und binde den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher