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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Autoren: Gwen Bristow
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und tobte das Vieh, die Weiber kreischten, die Männer schrien; über all den Lärm aber durchdrang die Lüfte jenes furchtbare, murrende, saugende Geräusch; es glich ungeheurem Gelächter! Fred stürzte davon; er wußte kaum, warum er lief und wohin, prallte mit Männern und Kühen und Frauen und Mauleseln zusammen, und jeder Mann schrie jedem anderen zu, so laut er konnte, schrie es zum Himmel empor: »Er bricht! Er bricht!«
    Fred stürzte von neuem, fiel gegen die Sandsäcke. Keuchend taumelte er wieder hoch, wischte sich den Lehm aus den Augen, sah Männer und Frauen das Vieh auf den Damm treiben. Die Tiere brüllten, quiekten, wieherten vor Schrecken. Fred fühlte einen Tritt in den Hosenboden. Die Stimme des Deichmeisters:
    »Lauf, du junger Esel! Lauf, sag' ich dir! Mein Gott, warum habe ich das Kind bloß auf den Damm gelassen? Lauf, du verdammter Unglücksrabe!«
    Fred trieb in dem rasenden Haufen dahin. Weiße und Neger, Maultiere, Schweine und Kühe, Kaffee-Eimer und Zuckertüten, Kinder und Sandsäcke und Schubkarren – das alles wirbelte den Deich entlang. Allmählich aber ließ die Hetze nach, erstarb in schierer Erschöpfung. Fred war so außer Atem, daß er einfach nicht mehr weiterlaufen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Er rieb sich die Augen, sie klebten noch immer voller Lehm. Er blickte den Damm entlang den Weg zurück, den er gekommen war.
    Weit hinten also war eine Bresche in den Damm gerissen; das gelbe Wasser schoß gurgelnd durch die verhängnisvolle Pforte. Der Bruch war noch nicht breiter, als ein Straße breit ist. Plötzlich, wie Fred aus der Ferne hinsah, gaben die Seiten der Bresche nach, verschwanden schneller im schäumenden Wasser, als sich verfolgen ließ. Die hochgetürmten Sandsäcke kollerten wie Bausteine durcheinander und schienen nicht eilig genug in das einstürmende Wasser scharenweise hinunterpurzeln zu können. Eine Kuh mit erhobenem Schwanz, außer sich vor Schrecken, prallte mit voller Kraft in den Sandsackwall; als wäre ihr der Boden unter den Füßen fortgezogen, so gab der Deich unter ihr nach; sie trompetete vor Entsetzen und versank hilflos in den schmutzigbraunen Fluten. Jenseits der sich reißend erweiternden Bresche sah Fred die Menschen in der entgegengesetzten Richtung davonstürmen. Über dem Toben des Wassers hörte er sie kreischen und fluchen. Ihm war, als sei die Welt in zwei Hälften auseinandergespalten, und er fragte sich, ob er die Männer da drüben jemals wiedersehen würde.
    Fred stand und starrte: schon klaffte die Bresche zweihundert Fuß in der Breite, dann vierhundert, dann sechshundert. Die Wasser ergossen sich über die Felder in einem gelben See, einem riesigen Fächer gleich. Noch immer saugten sie den Damm in sich ein mit jenem Geräusch, das wie ein schneidendes Gelächter klang. So würde Gott am Jüngsten Tage lachen; Fred wußte es aus der Sonntagsschule. Jenseits der vorwärts stürmenden Wasserwelle banden Frauen die Boote los, die an ihren Treppenstufen vertäut lagen, und kletterten hinein. Kinder stiegen in die Bäume, wo sie ihr Spielzeug aufgehängt hatten. Sie kreischten gellend nach ihren Müttern, aber die Mütter konnten sie nicht mehr erreichen. Nun auch entlang dem äußeren Abhang des Deiches wälzte das Wasser sich vor, bis die Krone des Dammes zu einer langgestreckten Insel wurde, nicht breiter als zwölf Fuß, endlos hingestreckt, so weit man sehen konnte. Männer und Frauen und Tiere waren darauf zusammengepreßt und flohen als dicke Knäuel weiter auf ihm zurück, voller Furcht, auch unter ihnen werde der Damm nachgeben und der Strom durchbrechen.
    An den Eckpfeilern der Bresche stürzte das Erdreich immer noch nach. Der Bruch maß nun schon tausend Fuß in der Breite. Die Felder waren im Wasser ertrunken und auch die Straße an ihrem fernen Rand. Die Flut stieg immer noch an. Frauen und Kinder versuchten, ihre Kähne zum Damm hinüberzurudern, kamen aber nur langsam vorwärts; die Strömung aus dem Einbruch schwemmte sie ab. Manche der Boote wurden von den regellosen Fluten ständig im Kreise umhergetrieben. Schon drang das Wasser in die Häuser. Es stieg und stieg, und bald war von den kleineren Hütten nichts mehr weiter zu sehen als die Schornsteine. Jämmerlich blickten sie über den schmutziggelben Spiegel.
    »Es hat alles nichts genutzt«, sagte Fred. »Unser Damm war nichts wert.« Er redete mit sich selbst. Ringsumher herrschte noch immer wilde Aufregung; keiner beachtete ihn. Plötzlich spürte
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