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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Autoren: Gwen Bristow
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konnten, wenn es nötig war. Jetzt aber kann auch ein weißer Junge, wenn er sich nicht vor der Arbeit fürchtet, alles über Deichbau lernen, was man wissen muß, und kann wirklich ein großer Mann werden.«
    Denis Larne streckte sein Hand aus und half seiner Mutter aus der Kutsche. Unwillkürlich verfolgte Corrie May mit den Augen Ann; sie ging langsam weiter, während Denis hinter ihr die Wagentür schloß. Wie gut sie immer noch aussah, obgleich sie nicht länger mehr jung zu nennen war. Sie trug ein dunkelblaues Seidenkleid und eine dunkelblaue Kappe mit einer gelben Feder querüber. Ihre Taille war zu elegantester Zerbrechlichkeit geschnürt, und unter ihr reichte der Rock bis zum Boden so eng, daß Corrie May sich fragte, ob sich Ann nicht die Knie zusammenbinden mußte, wenn sie beim Schreiten den Rock nicht sprengen wollte. Und der junge Denis, in feinstes Tuch gewandet, wirkte nicht weniger elegant; mit vollkommener Selbstsicherheit zog er ihren Arm in den seinen. In Corrie Mays Gemüt verwelkte die Freude. Oh, über diesen unnachahmlichen Vorteil guter Geburt. Fred mochte der größte Deichbaumeister werden, den es jemals gegeben hat – überlegte sie traurig –, jener mühelose Zauber würde niemals von ihm ausstrahlen. Dazu gehörten – ach, Geschlechter und Generationen! Mit einem Gefühl des Widerwillens entsann sie sich der Erzählung ihres Vaters, nach welcher Ann Sheramy und sie selbst einen Vorfahren gemeinsam besitzen sollten.
    Fred merkte nichts; er redete immer noch eindringlich fort: »Also hör zu, Mama. Wenn ich drei Dollar in der Woche verdiene, dann brauchst du nicht mehr so viel zu waschen und zu plätten. Du wirst auch gar nicht mehr Zeit genug dazu haben. Wenn ich erst regelmäßig zur Arbeit gehe, dann wirst du mir auch ein bißchen den Haushalt führen müssen – «
    Zögernd ließ sie ihre Augen von Denis Larne wieder zu ihrem Sohne gleiten. »Ja, Fred!« stimmte sie zu; sie wollte ihm seine Freude nicht verderben. »Natürlich werd' ich dir den Haushalt führen.«
    »Das wird fein werden. Mr. Vance sagt, wenn ich gut arbeite, kann ich bald auch viel mehr Geld verdienen als drei Dollar die Woche. Ich muß dann lernen, wie man von Grund aus einen Deich baut. Er hat mir schon davon erzählt. Als wir auf die Rettungsboote warteten, hatte er nicht mehr so viel zu tun; da konnten wir stundenlang miteinander reden. Er sagte mir, ich habe genausoviel und so gut gearbeitet wie die anderen erwachsenen Männer.« Mit einem stolzen Grinsen auf dem Gesicht hielt Corrie Mays Sohn inzwischen Ausschau nach anderen Bekannten, denen er die großen Neuigkeiten mitteilen konnte. Er fuhr fort: »Paß mal auf, Mama, ich will diesen Korb mit Wäsche für dich austragen; und dann gehe ich noch ein bißchen zum Hafen hinunter und will den Leuten da ›guten Tag‹ sagen; du gehst nach Hause und kochst uns Abendbrot. Was meinst du zu einem guten Beefsteak? Hier ist Geld dafür.« Er stieß sie ungeduldig mit dem Ellbogen an. »Mama, hör doch endlich auf, die Leute da anzustarren!«
    »Der junge Mann sieht gut aus«, sagte Corrie May.
    »Na, ich geh' mit dir jede Wette ein: der hat in seinem ganzen Leben noch keinen Tag richtig gearbeitet«, erwiderte Fred verächtlich. »Also, Mama, nun besorge das Beefsteak! Ach, ich glaube, du hast mir überhaupt nicht richtig zugehört.«
    »Doch, doch!« beteuerte Corrie May ein wenig krampfhaft. Sie legte ihre Hand auf Freds Arm. Es war der Arm, den kein Ärmel mehr deckte. Sie fühlte seine jungen Muskeln sich regen unter der schmutzigen Haut. Sie ließ ihre Augen noch einmal zu den Larnes zurückschweifen: Denis öffnete seiner Mutter gerade die Tür eines Geschäfts, mit erlesener Höflichkeit. Wie hatte sie mit den Leuten von Ardeith die Klinge gekreuzt – und war in jedem Gang unterlegen. Sie faßte noch einmal einen Herzschlag lang die Gestalt des Sohnes der Ann Sheramy ins Auge: er verkörperte eine Tradition, verkörperte sie vollkommen, eine Tradition jedoch, die nicht mehr wert war, fortzubestehen. Ihr eigener Sohn hatte nicht wie Denis Larne eine Tradition geerbt; aber er besaß die Kraft, eine neue zu begründen – die Erkenntnis flutete über sie hin wie Sonnenlicht, das aus zerreißenden Wolken dringt.
    »Hörst du denn gar nicht, was ich sage, Mama?« drang Fred noch einmal in sie. »Willst du jetzt das Beefsteak kaufen gehen?«
    »Aber ganz gewiß!« entgegnete Corrie May, plötzlich heiter und herzhaft. »Ich gehe jetzt Beefsteak kaufen. Und
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