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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Autoren: Gwen Bristow
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Wer zu müde war, um noch den Arm zu heben, der stolperte zu den Zelten hinüber oder ließ sich auch einfach zu Boden sinken, wo er ging und stand, und schlief. Wurde er von denen getreten, die noch weiterarbeiteten, so erwachte er, fluchte unmäßig und schlief wieder ein.
    Und das Wasser stieg, Zoll für Zoll. Jeden Morgen hatte es sich ein wenig dichter an den Kamm der Sandsackbarrikade hinaufgeschoben als am Tage zuvor.
    Auf der Innenseite des Deichs nagte die saugende Strömung an dem alten Bewuchs, an den Befestigungen, die nicht sorgsam genug erneuert waren; ganz allmählich fraß sie sich unter die Krone des Dammes. Die Männer versuchten, Sandsäcke ins Wasser zu senken, um die Innenseite zu pflastern – vergeblich; die Strömung riß sie hinweg und spülte sie auf Nimmerwiedersehen davon. Als die Sandsäcke nicht mehr schnell genug angeliefert wurden, frachteten viele der Männer ihre eigenen Baumwollballen herbei, den schwindenden Damm damit aufzupolstern. Fred erfuhr von Mr. Vance, daß die Baumwollballen nicht viel ausrichten konnten. Aber es beruhigte die Männer, ihr kostbares Erzeugnis dort aufgestapelt zu sehen, fest und hoch als ein Schutz gegen den Fluß, aber auch vielleicht als ein Sühneopfer.
    Die Frauen trieben inzwischen das Vieh in eigens zu diesem Zweck errichtete Hürden unterhalb des Deiches; brach der Damm, so konnten die Tiere gleich auf der Kuppe des Walles, soweit er noch standhielt, Schutz suchen. Der Deichmeister, Mr. Vance, erlaubte nicht, die Tiere schon jetzt auf den Damm zu treiben; sie behinderten die Arbeit. Wer ein zweistöckiges Haus besaß, der schaffte all seine Habe in den oberen Stock. Die Neger aus den geringsten Hütten brachten die hochverehrte Familienbibel oder auch ein paar ihrer liebsten Möbelstücke in die Häuser weißer Leute, die über zwei Stockwerke verfügten, und beteten dann, bei einem Dammbruch möge das Wasser nicht bis in den zweiten Stock steigen. Die Kinder kletterten in die Bäume und hängten Bündel von Möhren und Rettichen in die oberen Zweige; wenn der Damm brach, so wollten sie sich von diesen Vorräten nähren. Die kleinen Mädchen hängten ihre Puppen dort oben auf und kleine Knaben ihre liebsten Spielsachen, so daß die Bäume schließlich wie Weihnachtsbäume aussahen, als hätte sich einer einen schlechten Scherz mit ihnen erlaubt.
    Um das Eigentum der Siedler hatten sich allein die Frauen und Kinder zu kümmern. Die Männer beurlaubte Mr. Vance keine Stunde von der Arbeit am Deich. Die Frau eines der Männer erschien auf dem Arbeitsplatz und ließ den Arm des harten Deichmeisters erst fahren, als er sich willens zeigte, ihr zuzuhören: sie wollte ihren Mann wenigstens so lange von der Arbeit entbunden haben, daß er daheim ein Bündelchen mit Kleidern in einen hohen Baum hängen konnte; es enthielt die nötigsten Dinge für das Kind, das sie erwartete. Diesen Mann ließ Mr. Vance für kurze Zeit laufen; sonst gab er in keinem Falle nach.
    Wer ein Boot besaß, der band es an die Vordertreppe seines Hauses, damit er mit ihm zum Deiche rudern konnte, wenn das Wasser durchbrach.
    Die wenigen Dinge von Wert, deren sich die Siedler rühmten, dazu auch Proviant, wurden zusammengepackt und in den Booten verstaut.
    Doch wenn die Frauen nicht für die Männer kochten oder sich um ihren schmalen Besitz bemühten, ihn an sicherem Platz verstauten, dann ging das Leben für sie weiter wie immer. Sie warteten ihre Kinder mit ruhiger Selbstverständlichkeit, sie hackten die Felder, sie fütterten ihr Vieh; sie saßen auf den Treppenstufen vor ihren Häusern und flickten des Mannes alte Hosen, und die Kinder spielten vor ihnen auf der Straße. Vielleicht hielt der Damm dem Druck des Wassers stand. Dies war nicht das erste Hochwasser, das sie erlebten, und bisher hatte der Deich sich stets bewährt.
    Fred schleppte Sandsäcke hangauf, bis seine Schultern schmerzten und er kein Gefühl mehr in seinen Armen hatte. Er hielt des Nachts die Feuer in Gang und schuftete in ihrem Schein; und wenn es regnete, so arbeitete er auch ohne sie weiter. Er aß, wenn sich Gelegenheit dazu bot; stand dann oder hockte am Damm, während ihm die Frau Gemüse und Schweinefleisch auf den Teller häufte. Stets hatte er sich beim Essen zu beeilen; der Teller mußte weiterwandern. Manchmal hielt er noch einen mächtigen Runken Maisbrot in der einen Hand, kaute daran und zerrte mit der anderen schon den nächsten Pfahl auf die Anhöhe. Er schlief, wenn er umfiel, im Zelt oder
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