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Loreley

Titel: Loreley
Autoren: Kai Meyer
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das erste dieser Art, das man mir gemacht hat, und einmal, Vorjahren, beging ich den Fe h ler, der Verlockung nachzugeben. Alles geschah, wie ich es Euch geschildert habe. Die Häscher des hohen Herrn, den ich damals Hals über Kopf verlassen musste, suchen heute noch nach mir. Daher, Herr, bitte ich Euch untertänigst um Verständnis, dass ich mich nicht noch einmal auf so etwas einlassen mag.«
    Der Graf stand da, mit beiden Händen auf die Tisc h kante gestützt, und starrte den Spielmann an. Seine Stirn lag in Falten, seine Augenbrauen berührten sich an der N a senwurzel. Aber er sagte nichts, schien vielmehr nachzudenken über die Rede des Gauklers. Fee wagte kaum zu atmen, während sie die Entscheidung ihres O n kels erwa r tete.
    Vor der Gästekammer, draußen auf dem Flur, ging jemand mit polternden Schritten vorüber; vom Hof her erklang das Getrappel von Hufen, wahrscheinlich kehrten die Jäger mit ihrer Beute aus den Wäldern zurück; der Backmeister schrie seinen Gesellen an, weil er herausg e funden hatte, dass der Junge eine Hand voll Mehl für die Wangen seines Liebchens abgezweigt hatte. All das nahm Fee mit überspitzter Aufmerksamkeit wahr und sie hoffte, dass der Lärm auch die beiden Männer im Ritte r saal auf andere Gedanken bringen würde.
    »Geh jetzt«, sagte ihr Onkel schließlich mit einer R u he, die so gezwungen wie g e fährlich wirkte. Sogleich sprang der Lange Jammrich vom Stuhl, als hätte er die ganze Zeit nur auf diese beiden erlösenden Worte gewa r tet. »Geh«, sagte d er Graf noch ei n mal, »und kehre nie mehr zurück. Ich will dich auf meinen Ländereien nicht mehr sehen. Hast du das verstanden, Spielmann?«
    Der Lange Jammrich verbeugte sich tief. »Ihr seid ein Mann von großer Weisheit, Herr.«
    »Nicht groß genug, um sie zu besingen, wie mir scheint.«
    Fee war es, als sähe sie in den Augen des Langen Jammrich etwas aufblitzen, ein spöttisches Funkeln, scharf wie ein Kristallsplitter. Ihr Onkel bemerkte es nicht, und das war fraglos gut so.
    Der Spielmann wandte sich um und ging zur Tür. D a bei verschwand er aus Fees Blickfeld. »Ihr sollt mich nicht wiedersehen, Herr, ganz wie Ihr es wünscht«, hörte sie ihn sagen. Dann wurde die Tür des Rittersaals geöf f net und leise wieder geschlossen.
    Ihr Onkel legte eine Hand auf die Löwenkopfverzi e rung an seiner Stuhllehne. »Diener!«, rief er laut. Auge n blicke später eilte durch eine Seitentür einer der Diens t boten herbei. »Geh zu den Wachen am Tor«, befahl der Graf. »Sie sollen den Spielmann ziehen lassen. Doch wenn er ihnen noch einmal unter die Augen tritt, ist er des Todes.« Der Diener zog sich mit einer Verbeugung zurück.
    Fee versuchte, sich so leise wie möglich unter dem Bett hervorzuschieben. Dabei stieß sie mit dem Fuß g e gen einen der Bettpfosten, und das ganze schwere M ö belstück wurde um einige Fingerbreit verrückt. Das Schaben drang durch die Holzdecke hinab in den Ritte r saal. Fee wusste, dass ihr Onkel jetzt nach oben blickte, vielleicht noch ganz in Gedanken an den unverschämten Gaukler, vielleicht aber auch in der Gewissheit, dass er belauscht worden war.
    Falls er heraufkam, um nach Spuren zu suchen, wollte sie so weit wie möglich fort sein, in einem anderen Teil der Festung, am besten oben auf den Zinnen. So schnell sie nur konnte rannte sie hinaus auf einen Wehrgang, dann die Treppe des höchsten Turmes hinauf. Erst als sie oben ankam, bemerkte sie, dass es begonnen hatte zu regnen.
    Ailis hatte sich vor dem Regen im Torbogen der Schmiede untergestellt. In feinen Rauch gehüllt sah sie, wie der Spielmann das Haupthaus verließ, seine Ausbe u te und die Sackpfeife geschultert. Noch auf halber Str e cke über den Hof wurde er von einem Diener des Grafen überholt. Der Mann eilte zu den Wachtposten am Tor, redete auf sie ein und gestikulierte wild in die Richtung des Langen Jammrich. Der Gaukler zögerte kaum mer k lich, ging dann aber schnurstracks weiter. Ailis erkannte auf einen Blick, dass für ihn nicht alles zum Besten stand. Die Regentropfen, die wie funkelndes G e schmeide von seiner Mütze perlten, erhöhten den elenden Ei n druck, den er auf die wenigen Zeugen seines Abschieds machte. Ailis war sonst nicht allzu sehr um das Schicksal anderer bekümmert, und doch hätte sie jetzt einiges g e geben, um zu erfahren, was im Saal des Grafen vorgefa l len war.
    Die Wachleute ließen den Spielmann passieren, nur einer rief ihm etwas hinterher, das Ailis über den pra s
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