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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma
Autoren: Michael Marrak
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ich Augen habe! Ich weiß, daß ich sehen kann! Früher konnte ich es auch!
    Aber früher …
    Früher …
    Ich bin in einem Behälter, todsicher! Ich erinnere mich!
    Augen auf! Augen geradeaus! Über mir der …

 
Alphard 2
     
     
    … HIMMEL!
    Ein dumpfer, feuchter Schlag gegen die Kühlerhaube, schleifende Geräusche, der Wagen bockte und holperte. Etwas Grünes, Längliches prallte gegen die Windschutzscheibe und pfiff über mich hinweg. Ich riß erschrocken das Steuer herum. Die Reifen wirbelten eine Wolke aus Sand und Staub auf, als ich den Pontiac auf die Straße zurück zwang. Ich blinzelte, fuhr mir mit der Hand über die Augen. Mußte für ein paar Sekunden völlig weggetreten sein und hatte den Wagen um ein Haar in die Wüste gesetzt. Zwar gab es weder einen Straßengraben noch Leitplanken, aber jede Menge herumliegende Felsbrocken. Bei der Geschwindigkeit hätte mir ein Reifen platzen können. Ich warf einen Blick in den Rückspiegel. Glück gehabt, war gerade mal zwei Meter von der Fahrbahn abgekommen, hatte lediglich einen Feigenkaktus und ein paar Garben Büffelgras plattgewalzt. Die Straße ging zwar bergab, aber das Gefälle war zu gering, um mit einem platten Reifen weiterzurollen. Kaum vorstellbar, daß mir Gamma ein Ersatzrad aus dem Himmel fallen lassen würde, geschweige denn einen Pannendienst, der mich bis zur nächsten Station schleppte.
    Der wiederauflebende Fahrtwind trieb den Saft des Kaktus in grünen Schlieren über die Windschutzscheibe, durchsetzt von abgebrochenen Stacheln und Fruchtfleischklümpchen. Es sah aus, als wäre mir ein faustgroßes, widerliches Insekt dagegengeklatscht.
    Ich atmete durch. Im Radio klang Moody Blues aus. Ich schaltete ab. Noch fast 80 Kilometer bis zur nächsten Kolonie. Die Distanz war viel zu kurz, und die Zeit bis dorthin verging viel zu schnell, um gänzlich mit dem Geschehenen abzuschließen. Von Zone zu Zone blieb ein Rest der widerlichsten Gefühle in mir zurück, sammelte sich in irgendeiner Vertiefung meiner Seele, die niemals dafür vorgesehen war, und staute sich auf. Der Damm aus Skrupellosigkeit wurde immer mächtiger, der See aus Haß immer tiefer.
    Für die Landschaft hatte ich schon lange kein Auge mehr. Sie veränderte sich nie. Um zu wissen, wann ich die nächste Station erreicht hatte, mußte ich nur auf den Kilometerzähler blicken. Ich ließ den Wagen am linken Fahrbahnrand ausrollen, besaß inzwischen genug Routine, um ihn ohne einen Blick in die Wüste bis auf fünfzig Meter genau auf Höhe der Mittelstation zum Stehen zu bringen. Niemand würde vorbeikommen und mir für ungesichertes Halten auf der Fahrbahn einen Strafzettel verpassen. Ich war der stolze Besitzer des einzigen Autos der Welt.
    Dieser Welt.
    Der Pontiac war eine Schenkung Gammas. Er hatte behauptet, ihn samt seiner brisanten Ausstattung von einem Schrottplatz in Grangeville ›entliehen‹ zu haben. Alle sonstigen Extras stammten aus der Schmiede der Lords. Auf den ersten Blick sah der Wagen aus, als hätte ihn Gamma noch rechtzeitig aus der Greifkralle des Umladekrans gebeamt, ehe ihn der Kranführer in die Schrottpresse fallen lassen konnte. Öffnete man jedoch den Kofferraum, starrte einem genug High-Tech entgegen, um mich bei einer Polizeikontrolle auf der Erde ohne Federlesens in Untersuchungshaft wandern zu lassen. Der Schlüssel, der Reaktor für das Kraftfeld und nicht zuletzt die Waffen würden bei jedem Streifenbeamten den Eindruck erwecken, ich sei ein Top-Terrorist auf dem Weg, das Pentagon zu atomisieren.
    Hier jedoch störten der Wagen und sein Inhalt nicht einmal eine Packratte. Es gab keine Packratten, deshalb. Keine Ratten, keine Kojoten, keine Geier. Nicht einmal Mistkäfer. Die Wüste war leer. Hier gab es nur Klone, Läufer, die Lords und mich.
    Mein Name ist Stan Ternasky, geboren in Riverhead, Rhode Island. Vergessen Sie den Nachnamen, er besaß entlang der Straße keine Bedeutung. Ich war der einzige wirkliche Mensch dieser Welt. Wir schrieben irgendeinen Tag zwischen 2017 und 2022. Die Verlorenen Seelen in den Bunkern glaubten, es wäre Donnerstag, der 9. Dezember 2021. Ich teilte diesen Glauben nicht. Heute war der gleiche Tag wie gestern, der gleiche wie vor zwei Wochen und der gleiche, den man in einem Monat erleben würde. Die Uhren in den Bunkern waren eine Farce. Ich wußte es besser. Es war immer derselbe Tag, dieselbe Zeit. Abendmahlzeit. Abendrot. Der Himmel log nicht.
     
    Ich zog meine Zonenkarte aus dem Handschuhfach und schlug
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