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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma
Autoren: Michael Marrak
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Schmerz. Zuerst waren es nur ihre Hände gewesen, die geglüht hatten. Doch begann dieses Feuer erst einmal vom Fleisch eines Klons zu zehren, war es von keiner Macht dieser Welt mehr zu stillen. Ich hatte Prill beschworen, es nicht herauszufordern. Sie hatte mir nicht geglaubt, bis das Feuer sie erfaßt hatte; dieses unbarmherzige, unersättliche Glühen, das sich erst zufrieden zeigte, nachdem es Prills letztes Molekül verzehrt hatte.
    Ich legte die Waffe auf den Beifahrersitz und schaltete das Radio wieder ein. »Hörst du mich?« brüllte ich es an.
    »Natürlich, Stan«, drang Gammas Plauderstimme aus den Boxen. »Wie geht es dir?«
    »Das war die Fünfzehnte, gottverdammt…«
    »Ja«, bestätigte Gamma. »Du besitzt langsam etwas von einem Serienkiller.«
    »Das ist Mord, ein ums andere Mal!«
    »Du wirst anders denken, sobald du die Wahrheit kennst. Keine von ihnen ist wirklich tot.«
    »Ich bringe das irgendwann nicht mehr fertig!«
    »Du wirst sie finden, Stan. Vertrau mir.«
    Ich schlug wütend gegen das Lenkrad. Gamma war verstummt, aus den Boxen kam Musik, Moody Blues’ Nights in White Satin.

 
Naos 1
     
     
    VERDAMMT, ES IST KALT HIER! Warum deckt mich denn keiner zu? Ist niemand hier? Ich will »Hallo« rufen, doch nichts an mir bewegt sich. Die Augen bleiben geschlossen, der Mund ebenso. Ich höre nichts, irgend etwas steckt mir bis zum Hirn in den Ohren. Der Atem, wo ist mein gottverdammter Atem? Diese lausige Kälte, bis auf die Knochen. Fürchte, die geringste Bewegung sprengt mir das gefrorene Fleisch ab. Selbst vor dem Luftholen habe ich Angst. (Welche Luft holen, du Dummkopf?) Starr. Steif. Glasig. La babata, the Iceman comes … Bin ich verwundet? Ich warte. Es wird nicht wärmer. Wenn ich nur meine Hand heben und mir über die Augen fahren könnte, die Lider hochziehen, mal schauen … Keine Chance.
     
    Bin ich verschüttet? Ein Lawinenopfer? Meterhoch Schnee über mir? Wie tief stecke ich drin? Und seit wann? Befinde ich mich in einem Gletscher? Ha, ich schmelze! Berichtigung: der Gletscher schmilzt. Ich taue auf! Oh, endlich. Ich komme wieder, jung wie eh und je. Wo ist die Sonne? Ich friere. Gott, etwas Wärme, schneller, schneller! Wenn ich doch nur in der Lage wäre, zu zittern. Diese Kälte ist kosmisch. Der Kosmos … um mich herum? Oh weh, ich glaube, etwas ist gewaltig schiefgelaufen. Aber ich kann mich nicht erinnern, Astronaut gewesen zu sein. Na ja, vielleicht können es andere. Oder eine Gedenktafel, die alle daran erinnert, sich zu erinnern: Heb deinen Blick gen Himmel, Amerika, denn irgendwo dort oben ruht/trudelt/treibt der erste Astronaut (ohne Raumanzug) im Weltall. Wuha! Human Satellite. Umrunde ich die Erde? Oder sie mich? Scheißkälte!
     
    Licht! Licht!
    Es ist etwas heller geworden.
    Bestimmt ist es heller geworden.
    Ein wenig, glaube ich.
    Oder?
     
    Ich bin ein Behälter. Ich bin der Behälter für ein wissenschaftliches Experiment. Klarer Fall. Ich habe oben einen Deckel und zwei Scharniere und ein Schloß. Das Schloß ist zu. Der Deckel natürlich auch. Ich stehe in einer Kühltruhe. Die Kühltruhe ist ebenfalls zu und wird bewacht. Ich bin eine geheime Verschlußsache.
    Ich bin wichtig!
    Wäre ich nicht wichtig, wäre ich offen. So.
     
    Vielleicht bin ich ja nur gefährlich, deshalb ist der Deckel zu. Dann wäre ich aber nicht der Behälter, sondern sein Inhalt. Frage: Was befindet sich in dem Behälter? Antwort: Ich. Frage: Wer/Was bin ich? Ich bin intelligent. Alles spricht dafür. Ich kann denken. Würde man den Deckel öffnen, könnte ich auch handeln. Ich bin intelligenter Frost. Ich bin die neue Eiszeit. Und daher gefährlich. Darum bin ich in diesem Behälter gefangen. Es stinkt hier drin! Stearin? Paraffin? Ich kenne das doch … ja, Stickstoff! …
    … Wie riecht flüssiger Stickstoff?
    Augen lassen sich noch immer nicht gebrauchen. Alles ist dunkel. Licht war wohl Einbildung. Viele Einbildungen in der Schwärze. Mein Geist macht Dinge sehend. Berge, Meere, Wälder. Die Meere sind grün, Laubwogen brechen sich an weiten Stränden aus zartem, gespreiztem rosa Fleisch, die Wälder wachsen blau in einen schwarzen Himmel, mit Bäumen aus Wasserblasen und Korallen aus Glas. Über allem die Berge, riesige Brüste mit milchspeienden Gipfelknospen (eine neue Erkenntnis!), und auf der höchsten Zinne – eine zwanzig Meter große Maschinenfee mit wirbelnden Stahlflügeln …!
    Öffnet mir endlich die Augen, ihr Schweine! Ich will sie sehen! Ich weiß, daß
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