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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach
Autoren: Peter Cocks
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Keiner von uns wagte, das Thema anzuschneiden. Die Wunde war noch zu frisch, um daran zu rühren.
    Sie sagte, sie und ihre Mum würden wegfahren, für eine Woche oder so. Gleich heute Nachmittag. Eine kurze Auszeit, sagte sie, irgendwohin, wo die Sonne schien.
    Ich musste nicht fragen, warum sie so kurzfristig abreisten. Sie sagte, wir würden uns wiedersehen, sobald sie zurück sei. Wir spazierten quer durch den Park und die Hunde rannten voraus, fegten über das Gras. Ich sah, dass Sophie den Tränen nahe war, und legte ihr meinen Arm um die Schultern. Sie kuschelte sich an mich.
    »Eddie«, sagte sie, »war das neulich Abend wirklich dein Vater?«
    »Nein, Soph. Das war ein Irrer. Meinen Dad gibt’s schon lange nicht mehr.«
    Sie sah mir direkt ins Gesicht und in ihre Augen trat dieser kalte, blaue Tommy-Kelly-Blick, den ich so hasste. Sie wusste, dass ich log.
    »Ich bin so durcheinander. Manchmal glaube ich, ich kenn dich überhaupt nicht«, sagte sie.
    Ich zog sie an mich, um ihren Augen zu entkommen. Durcheinander war ich auch. Ich mochte sie wahnsinnig gern und wollte mit ihr zusammen sein, aber es stieß mich ab, dass sie bei all den Dingen, von denen sie nichts wissen wollte, einfach wegschaute. Drogenhandel im großen Stil und Mord, nur so zum Beispiel. Damit sie auch ja ein angenehmes Leben führen konnte, egal welchen Preis ein anderer dafür zahlte. Genau wie Mummy.
    Ich küsste sie aufs Haar, das so gut roch wie immer, undsie drehte den Kopf, um mich auch zu küssen. Wir umarmten uns fest und sie legte ihren Mund an mein Ohr. »Ich liebe dich«, sagte sie.
    »Ich liebe dich auch.« Ich glaubte, das meinte ich ernst.
    Aber in Wirklichkeit wusste ich kaum noch, was ich empfand.

Dreiundsechzig
    Der Anruf ging fast einen ganzen Tag später als erwartet bei Donnie ein. Ihm war es lieber, wenn diese Dinge schnell liefen, wenn man dem Apparat immer einen Schritt voraus war, bevor der seine Kommissare aus den Pubs zurück in die Amtsstube zitierte. In vierundzwanzig Stunden konnte allerhand passieren. Er wusste, dass die Stimmung in der Firma nicht gerade rosig war, und das machte ihn nervös.
    Er hatte die Angelruten vorgekramt und sie hatten in den schlammigen Kanälen gefischt, die den Campingplatz umgaben. Zeit totgeschlagen. Der fette Speck, den sie als Köder benutzt hatten, hatte einen einzigen dünnen Aal aus dem brackigen Wasser gelockt. Er hatte sich in glitschigen Schlingen um die Leine geknotet und sie bekamen ihn nicht vom Haken. Donnie hatte ihn schließlich mit einer Schaufel erschlagen, damit er aufhörte, sich zu winden. Keiner hatte vor, ihn zu essen.
    »Bedrohte Tierart, Aale«, hatte Jason gesagt.
    »Der hier bestimmt«, bemerkte Donnie und schleuderte den schlaffen, schleimigen Körper zurück ins Wasser, als Warnung an die anderen.
    Später waren sie in den Benz gestiegen und hatten sich von der Küste weggewagt, immerhin bis zu einem ranzigen Pub, wo sie Export tranken und auf Sky Plus
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schauten. Der Nokia-Klingelton ging los, von Donnies Hosentasche gedämpft, und er zog das Handy hervor.
    »Christian Steifen«, meldete er sich. Dave Slaughter war dran, dem gerade gar nicht nach lustigen Namen war. Dave gab ihm seine Anweisungen und legte auf.
    Donnie schloss den Wohnwagen ab, ließ Jason ins Auto einsteigen und fuhr hoch nach Chatham, wo sie den Benz gegen einen unauffälligen silbernen Rover eintauschten und sich zur Autobahn aufmachten.
     
    Es wurde schon dunkel, als ich in Kelly Towers eintraf. Paul Dolan stand neben einem anonym aussehenden Volvo und wartete auf mich. Dave Slaughter saß in einem anderen Wagen, einem BMW, einen jungen Typen neben sich auf dem Beifahrersitz. Er sah aus wie Jason Kelly, war es aber nicht. Ein Ablenkungsmanöver.
    Keines der Autos hatte ich je zuvor gesehen. Sie waren beide frisch gemietet und, noch wichtiger, in keinem war ein Peilsender versteckt.
    Tommy kam aus dem Haus und schmiss die Tür hinter sich zu. In seinem langen, dunklen Mantel und dem grauen Schal sah er richtig feierlich aus. Drinnen brannte kein Licht mehr und auch sonst schien niemand zu Hause. Cheryl und Sophie waren schon fort und es gab auch kein Gebell   – die Hunde mussten im Zwinger gelandet sein. Das Haus sah trübselig und düster aus. Traurig und tot.
    Tommy nickte mir zu und wir stiegen in den Volvo. Ich setzte mich in den Fond und Paul fuhr die Landstraße hinunter. Dave folgte uns im BMW.   Keiner sprach ein Wort.
    Wir fuhren Richtung Biggin
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