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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach
Autoren: Peter Cocks
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Dolan ersparte ihm die Mühe. Bis jetzt hatte er geschwiegen, aber aus irgendeinem Grund unterstützte er mich. »Ich wollte das eigentlich nicht erwähnen«, sagte er. Er zog ein Bündel Papiere aus der Jacke. »Aber Saul hat meinen Jungs in Belfast auch Geld angeboten. Damit Infos direkt an ihn gehen, an dir vorbei, Tommy.«
    »Du glaubst wohl, ich hab’s nicht mehr drauf, Saul?«, fragte Tommy leise.
    »Ich versuche zu verhindern, dass Jason die Firma in die Luft jagt«, krächzte Saul. »Es hat fünfzehn Jahre gedauert, um den Laden wasserdicht zu machen. Ich hab uns reich gemacht und ich will nicht, dass Jason alles an die Wandfährt. Er ist eine tickende Zeitbombe. Bitte schön, jetzt hab ich’s gesagt.« Er hob seine Hände, wie um sich zu ergeben.
    Ich wusste, dass es an diesem Tisch noch einige gab, die der gleichen Meinung waren. Aber das würden sie niemals laut sagen.
    »Okay, Saul«, sagte Tommy ruhig. »Schon in Ordnung. Botschaft angekommen. Ich glaube, du und ich, wir müssen das mal unter vier Augen besprechen. Schauen, ob wir da eine Lösung finden.« Tommy stand auf und fegte Zigarrenasche von seinem Anzug. Er wirkte hundeelend. »Danke schön, meine Herren«, sagte er. »Anweisungen folgen im Laufe des Tages. Morgen geht’s los. Saul?«
    Saul stand auf, rieb sich den Hals und folgte Tommy Richtung Arbeitszimmer, ohne mich anzusehen. Dave ging ihnen nach.
    Die anderen schlurften schweigend vom Tisch. Sie waren im Aufbruch, auf dem Weg zu ihren Autos. Johnny Reggae legte mir seine Pranke schwer auf den Rücken.
    »’tschuldige, Junge«, sagte er. Er schlug seine Faust gegen meine zitternde und verließ das Zimmer.
    Paul Dolan kam zu mir herüber. »Das wollte ich eigentlich nicht aufs Tapet bringen«, sagte er. »Saul hat nicht ganz unrecht.«
    Er ging, und ich blieb alleine zurück. Ich fühlte mich wie ein kleines, verängstigtes Kind. Meine Beine zitterten und ich brauchte Luft.
    Ich schob mich durch die Glastüren hinaus in den Garten. Dort atmete ich tief durch und sah zu, wie Tommy, Saul und Dave den Garten durchquerten, dem Ententeich entgegen. Offensichtlich hatten sie immer noch Geschäftliches zubereden. Ich fühlte mich schuldig. Saul hatte ich da nicht reinreiten wollen. Eigentlich war er ein ziemlich netter Kerl   – er hatte mir nichts getan und hasste Jason genauso wie wir alle. Ich hatte ihn benutzt, um meine eigene Haut zu retten, um die Aufmerksamkeit von mir abzulenken und etwas Zeit zu gewinnen.
    Es war eine friedliche Szene. Wie drei Geschäftsmänner sahen sie aus, wie sie so in ihren Anzügen und schicken Schuhen durch das nasse Gras schritten. Hoffentlich, dachte ich mir, würden sie die Angelegenheit irgendwie klären, wie alte Freunde.
    Aber irgendein Instinkt hieß mich dranbleiben. Ich zog mein iPhone raus und stellte die Videokamera an.
    Dann klärten sie die Angelegenheit.
    Saul wehrte sich nicht. Er kniete sich ins nasse Gras und Dave griff seine Hände von hinten, zog ihm die Arme zurück und setzte ihm den Fuß mitten auf den Rücken, um seinen Kopf nach vorn zu kippen.
    Dann zog Tommy Kelly eine Pistole und schoss ihm in den Kopf.
    Ich taumelte rückwärts in den Efeu, der am Haus emporrankte, während meine Kamera immer noch lief. Ich sah, wie das Blut aus Sauls Schädel spritzte, als er vornübersank, in Daves Griff erschlafft. Sah, wie die aufgescheuchten Enten aufstoben und quakten, während Saul starb.
    Ich übergab mich in einen der Blumenkübel: Kaffee, Kekse   … meinen Ekel.
    Für Tommy war es diesmal etwas Persönliches gewesen, ganz klar. Aber ich, ich hatte Saul Wynter umgebracht, so sicher, als hätte ich selbst die Pistole gehalten.

Zweiundsechzig
    Am frühen Nachmittag war ich wieder in Deptford.
    Ich war völlig betäubt vom Schock, vom Horror der Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden. Wie ein Zombie wankte ich durch die Gegend, den Kopf voller Watte, bis mir klar wurde, dass ich tierisch Kohldampf hatte. Wann hatte ich zuletzt etwas gegessen? Ich wusste es nicht mehr. Ich ging in ein Café, nur um auf dem Absatz wieder kehrtzumachen. Der Lärm und das Gelache der Arbeiter mit ihren behaarten Ärschen waren mir unerträglich, genau wie die gigantischen Eierportionen, die sie anscheinend rund um die Uhr in sich reinschlingen konnten. Ich irrte umher, den Blick auf dem Gehweg, um niemandem in die Augen schauen zu müssen. Traumatisiert, vermutlich. Ich kaufte mir ein Brathähnchen bei einem Schnellimbiss und aß es auf einer Bank am
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