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Long Dark Night

Long Dark Night

Titel: Long Dark Night
Autoren: Ed McBain
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fast auf derselben Höhe wie seine.
    »Detective Carella«, sagte er. »Das ist mein Partner, Detective Hawes.«
    »Ja?«
    »Miss Stetson«, sagte er, »es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber…«
    »Meine Großmutter«, sagte sie sofort und wirkte dabei eher gefaßt als beunruhigt.
    »Ja. Es tut mir leid. Sie ist tot.«
    Sie nickte.
    »Was ist passiert?« fragte sie. »Ist sie wieder in der Badewanne ausgerutscht?«
    »Nein, sie wurde erschossen.«
    »Erschossen? Meine Großmutter?«
    »Es tut mir leid«, sagte Carella.
    »Großer Gott, erschossen«, sagte Priscilla. »Warum sollte…?« Sie schüttelte noch einmal den Kopf. »Oh, diese Stadt«, sagte sie. »Wo ist es passiert? Irgendwo auf der Straße?«
    »Nein. In ihrer Wohnung. Vielleicht war es ein Einbrecher.«
    Vielleicht auch nicht, dachte Hawes, sagte aber nichts, ließ Carella einfach am Ball bleiben. Das war der schwerste Teil der Polizeiarbeit - die Angehörigen eines Opfers zu informieren, daß etwas Schreckliches passiert war. Carella machte es richtig gut, vielen Dank, es war sinnlos, ihn zu unterbrechen. Nicht um Viertel vor zwei morgens, wenn die ganze verdammte Stadt schlief.
    »War sie betrunken?« fragte Priscilla.
    Knallhart.
    »Wir müssen die Autopsie abwarten«, sagte Carella.
    »Wahrscheinlich war sie betrunken«, sagte Priscilla.
    »Wir werden es Sie wissen lassen«, sagte Carella. Es kam härter über seine Lippen, als er beabsichtigt hatte. »Miss Stetson«, sagte er, »wenn es so gewesen ist, wie es aussieht, wenn sie einen Einbrecher auf frischer Tat überrascht hat, dann suchen wir eine Nadel im Heuhaufen. Denn dann wäre es ein völlig zufälliges Verbrechen.«
    »Ja.«
    »Andererseits … Wenn jemand Ihre Großmutter tot sehen wollte, die Wohnung mit der Absicht betreten hat, sie zu ermorden…«
    »Niemand wollte sie tot sehen«, sagte Priscilla.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Sie war schon tot. Niemand wußte, daß es sie noch gab. Warum sollte sich jemand die Mühe machen, sie zu erschießen?«
    »Aber jemand hat es getan.«
    »Also ein Einbrecher. Wie Sie gesagt haben.«
    »Das Problem ist, daß nichts gestohlen wurde.«
    »Was gab es denn zu stehlen?«
    »Sagen Sie’s uns.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »In der Wohnung befanden sich keine Wertgegenstände. Aber vielleicht gab es welche. Vor dem Einbruch.«
    »Was denn? Die Kronjuwelen des Zaren von Rußland? Meine Großmutter besaß noch nicht mal das Schwarze unter den Fingernägeln. Was sie von der Wohlfahrt bekam, ging für Schnaps drauf. Sie war ständig betrunken. Sie war ein erbärmliches altes Miststück, eine abgetakelte Klavierspielerin, die ihre besten Jahre hinter sich hatte und nur noch von ihren Erinnerungen lebte. Ich habe sie gehaßt.«
    Jetzt hör mal auf, um den heißen Brei zu reden, dachte Carella.
    Er mochte diese junge Frau mit ihrem geerbten guten Aussehen und ihrem erworbenen klugscheißerischen Großstadtgehabe nicht besonders. Er wäre am liebsten gar nicht hier, hätte es vorgezogen, gar nicht mit ihr zu sprechen, aber er konnte nun mal keine Einbrüche ausstehen, die sich zu Mordfällen ausweiteten. Also würde er etwas über ihre Großmutter herausfinden, irgend etwas, was der Aufklärung dieses Falls dienen würde, selbst, wenn er ihr dazu Daumenschrauben anlegen und ihr jede Information einzeln aus der Nase würde ziehen müssen. Wenn jemand sie mit Vorsatz ermordet hatte, na schön, dann würden sie nach diesem Jemand suchen, bis die Hölle gefror. Wenn nicht, würden sie zum Revier zurückkehren und dort einen Monat lang warten, ein Jahr, falls nötig auch fünf, bis irgendein drogensüchtiger Einbrecher verhaftet wurde und gestand, eine alte Frau ermordet zu haben, damals, als wir alle noch jung und unschuldig waren. Und bis dahin…
    »Hat noch jemand so empfunden wie Sie?« fragte er.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie haben gesagt, daß Sie sie gehaßt haben…«
    »Ach, und? Habe ich sie etwa umgebracht? Jetzt hören Sie aber bitte auf!«
    »Alles klar, Priss?«
    Carella drehte sich erschrocken um. Der Mann, der neben ihm stand, war einer der beiden, zu denen Priscilla gerade unterwegs war, als sie sie abgefangen hatten. Noch bevor Carella die Schußwaffe in einem Halfter unter dem Jackett des Mannes sah, hatte er ihn als Bodyguard oder Gangster eingestuft. Vielleicht war er auch beides. Er war über einsneunzig groß, brachte wohl zwei Zentner auf die Waage und stand auf den Fußballen da, die Hände halb zu Fäusten geballt,
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