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London 1666

London 1666

Titel: London 1666
Autoren: Vampira VA
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Sekunden verstrichen sein - passierte etwas, das Ruby fast noch mehr verblüffte als Pepys' Vorhaben, sie massakrieren zu wollen!
    Ihr Peiniger zuckte von ihr zurück. Schmatzend lösten sich die Lippen.
    Zunächst registrierte Ruby nicht viel mehr, als daß Pepys von ihr abrollte und sich auf den Beinen oder auf allen vieren von ihr ent-fernte. Sie hörte, wie er gegen das Bettgestell stieß und einen Stuhl umwarf. Dabei rann unablässiges Wimmern aus seinem Mund, das sich fast anhörte wie das ausdauernde Gekreische eines Neugeborenen, das Hunger litt.
    Ruby lag immer noch wie betäubt am Boden.
    Nun war sie frei und doch nicht in der Lage, auch nur einen Finger zu rühren. Eine sonderbare Lähmung hielt ihren Körper wie ein Panzer umschlossen. Sie lag nur da, starrte in die Finsternis und lauschte den grauenerregenden Geräuschen, die Pepys verursachte.
    Warm rann es aus Rubys zerstochener Ader.
    Nachdem Pepys zunächst Richtung Tür gewankt war, kehrten seine Schritte nun wieder zurück, und Ruby hätte keinen Penny mehr auf ihr Leben verwettet.
    Er ließ sie jedoch achtlos liegen und huschte in einem heftigen Luftzug an ihr vorbei zum Fenster.
    Es war verschlossen.
    Aber das hinderte ihn nicht, sich dagegenzuwerfen.
    Ruby hörte noch das Bersten des Glases, das Prasseln der Splitter, die auf dem Boden landeten und - nach einer kurzen Pause - einen dumpfen Aufschlag.
    Draußen. Von dorther, wo jetzt kaltnebliger Windhauch hereinwehte.
    Es wurde still.
    Ruby war allein.
    Erst als sie ihre Hand gegen die Wunde am Hals preßte und der Blutung Einhalt gebot, bekam sie einen Schüttelfrost und begann wie Espenlaub zu zittern.
    Sie konnte noch gar nicht glauben, daß nicht sie, sondern Pepys tot war.
    Daß er dort unten, drei Stockwerke tiefer, auf dem harten Pflaster lag und sich vermutlich das Genick gebrochen hatte, dieser heimtückische Bastard!
    Mühsam zog sie sich am Bett hoch und ging zum Fenster.
    Ein paar Sterne funkelten am Himmel, die Wolken hatten sich verzogen. So sah sie gerade noch den Schemen, der sich vom Straßenpflaster erhob und - Ruby blinzelte und rieb sich die Augen.
    Es mußte eine Halluzination sein!
    Sie hörte rauschenden Flügelschlag.
    Dann war alles, was an Pepys hätte erinnern können, verschwunden.
    *
    Elizabeth saß auf den untersten Stufen der Treppe hinter der Eingangstür in ihrem Haus in der Seething Lane, als er heimkam.
    Samuel Pepys Frau wurde durch die Geräusche, die er beim Aufschließen und Eintreten verursachte, wach. Hellwach. Zuvor war sie, die Beine angezogen und das Gesicht auf die Knie gelegt, eingeschlafen gewesen.
    »Wo warst du?« giftete sie ohne jedes Vorgeplänkel. Kein Zweifel, sie hatte seine nächtliche Abwesenheit bemerkt und wollte ihm seine Eskapaden unter keinen Umständen durchgehen lassen. Sie legte es darauf an, ihm eine Szene zu machen, die auch den Dienstboten nicht verborgen bleiben würde. Vielleicht erhoffte sie sich von solcher Schmähung ein heilsame Wirkung für die Zukunft .
    »Komm mir ja nicht wieder mit irgendwelchen faulen -« Da erst erkannte sie im Schein der fast herabgebrannten Kerzen, in welch einer fürchterlichen Verfassung er war. Ihr Atem stockte, wenn auch kaum aus ehrlichem Mitgefühl. Entsprechend rasch fing sie sich wieder und keifte: »Mit welchen liederlichen Schlampen hast du dich vergnügt, daß sie dir die Augen auskratzen wollten?«
    Kyle starrte sie an.
    (Kyle ...? Ich bin Samuel Pepys, geboren am 23. Februar 1633 in Salis-bury Court, London, verheiratet mit Elizabeth St. Michel, kinderlos ... Lügner! Du bist ein Narr, Kyle. Ein Narr, der sich ewig wundern wird über die eigene Verrücktheit!)
    Dann - maßlos in Wahn und Verwirrung - stürzte er sich auf Elizabeth, packte sie an beiden Ohren, zerrte sie empor und brach ihr fast die Nase, als er sie so fest gegen sein eigenes Gesicht preßte, daß zwischen ihren Augen nur noch ein Zoll Platz war.
    Zuerst hatte sie aufgeschrien, nun war sie stumm. Ein Kaninchen im Blick der Schlange.
    »Halt still!« zischte er.
    Ihr sturer Gehorsam änderte nichts an der Verläßlichkeit, mit der ihr Blut ihn nähren würde - hoffentlich. Er zerbiß ihre Lippen und trank aus der platzenden Frucht.
    Er soff regelrecht.
    In stiller Qual, unfähig, ein Fingerglied zu krümmen, um sich seiner zu erwehren, ertrug sie ihn und sah ihm zu, wie er ihr mehr stahl als je zuvor mit einem Kuß.
    Er brauchte es!
    Er mußte es tun, um den in seiner Widerwärtigkeit mit nichts vergleichbaren Geschmack
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