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London 1666

London 1666

Titel: London 1666
Autoren: Vampira VA
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fortzuspülen, den sie auf seinem Gaumen hinterlassen hatte.
    Ruby.
    Oben auf der Treppe erschien im eilends geknoteten Morgenmantel der alte Simpson, mit dem Kyle/Pepys vorgestern noch das neue Arbeitszimmer eingerichtet, Karten und Gemälde aufgehängt hatte ... Sein Diener erstarrte, als er die wahre Bedeutung des Kusses durchschaute, mit dem der Heimkehrer seine Gattin begrüßte.
    Kyle grinste ihm mit blutverschmiertem Mund entgegen. Auf seinen elfenbeinfarbenen Augzähnen glitzerte das Elixier. Er hatte sie, nachdem der erste Schwall aus Elizabeth' Lippen versiegt war, gedankenlos in ihre Zunge gebohrt. Doch auch dort fand sich nur wenig von dem, wonach ihn dürstete. Und ehe er sich nun den dunklen, reißenden Flüssen ihres Herzens zuwenden konnte, mußte er erst noch Simpson besänftigen.
    Es war leicht, wie immer.
    Alles war leicht für den letzten Vampir von London. Den letzten von vielen.
    WO SEID IHR ALLE HIN? WARUM BIN ICH ALLEIN?
    Kyle spießte seine Frau auf den Nagel seiner Klaue, die keine Ähnlichkeit mehr mit der Hand hatte, mit der er die Wirtin, Mrs. Lane, gestreichelt hatte. Oder Mary aus dem »Schwanen«. Oder .
    Vage wie Bilder aus fiebrigen Träumen bahnte sich etwas den Weg an die Oberfläche von Kyles Bewußtsein.
    Je mehr unverdorbenes Blut er schlürfte, desto klarer dämmerte ihm der entsetzliche Grund, der ihn verleitet hatte, dieses absurde Leben eines anderen anzunehmen und zu führen, als wäre es sein eigenes.
    Samuel Pepys war tot - der echte Samuel Pepys!
    UND WER BIN ICH?
    Er wußte, wer er war. Er wußte es wieder.
    Und während er Elizabeth in einem letzten Rest von Vernunft fallenließ, bevor sie völlig ausgesaugt war, während er die Treppe hinaufhetzte und sich über den Diener hermachte, schweiften seine Gedanken noch einmal zu Ruby, dem Mädchen, dessen Liebreiz und Geheimnis ihn verzückt hatte, bis .
    ... bis er ihr Jaucheblut gekostet hatte!
    Blut wie Gift und Säure .!
    Kyle ließ auch Simpson fallen, obwohl sein brennender Durst noch lange nicht gestillt war.
    Er besuchte jede Kammer des Hauses, jede Magd und selbst Pepys Vater, den er nicht erwartet hatte, aber schlafend in der Gästestube vorfand.
    Er soff bis zur schieren Besinnungslosigkeit und erstickte jeden nur denkbaren Widerstand. Alles Leben im Haus erstarrte im dumpfen Morast seiner vorzeitlichen Magie, und auch Kyle selbst, der diese elementare Kraft erzeugte, verlor mehr und mehr den Bezug zur ihn umgebenden Realität.
    Kyles Rausch überwand die letzten Barrieren, die sich um sein vampirisches Hirn herum aufgebaut hatten.
    Er versank in Träumen, die keine waren.
    Es waren Erinnerungen. An den Tag und die Stunde vor beinahe sieben Jahren.
    An jenen unfaßbaren Moment, der ihm alles - alles! - genommen hatte: seine vom Kelch gegebene Familie und die eigene, ihm so wertvolle Identität.
    Statt dessen hatte er sich in die Haut dessen verkrochen, den er in jener Nacht in ausgelassener Stimmung trunken gemacht und in den Garten von Downings festlich geschmücktem Hause gezerrt hatte.
    Damals.
    Gestern.
    Vor einer kleinen Ewigkeit .
    *
    London, Silvester 1659
    Erinnerungen eines Vampirs
    Lawsons Flotte ankert in der Themse - immer noch. Das Kriegsgespenst geht um. Wir haben Moncks Armee nach Schottland entsandt, vorsichtshalber. Die Holländer üben sich derweil in den üblichen Anfeindungen. Es geht um die Vorherrschaft auf See.
    Schachzüge. Der Zeitvertreib der Sippen ...
    Manchmal stelle ich mir vor, ich wäre unwissend wie die Menschen, deren Geschick wir nach Belieben lenken. Es ist faszinierend und abstoßend zugleich, sich in Gedanken auf die Ebene von Wesen zu begeben, die so anmaßend sind zu glauben, der Welt immer mehr von ihren Geheimnissen entreißen zu können.
    Diese armen Irren.
    Wir bestimmen, was sie erfahren dürfen und was nicht!
    Wir wägen ab, wieviel Schläue den Nutzen des Schlachtviehs erhöht oder was schädlich wäre!
    Ich lache leise in mich hinein, während ich den Blick über die »feine« Gesellschaft schweifen lasse.
    Von Frauen habe ich genug, seit ich festgestellt habe, daß das Blut von Männern in seinem Bouquet meinem Geschmack mehr entgegenkommt. Deshalb achte ich kaum auf all die aufgetakelten Fregatten, die sich im Takt der Musikanten wiegen.
    Ich bin nicht leicht zu entflammen, aber als ich die gescheitelte Haarmähne eines ins Gespräch mit dem Hausherrn vertieften Mannes sehe, vor allem aber das Gesicht darunter, ist es um mich geschehen.
    Soviel ungestillter
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