Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
London 1666

London 1666

Titel: London 1666
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
Seerosen, deren Blüten die Dunkelheit geschlossen hat, was ich durchaus schade finde.
    Wir unterhalten uns ein wenig über seine Arbeit, und ich erfahre ungeschönt, wie er über Downing, der sein Vorgesetzter ist, denkt. Erstaunlich, wie genau er ihn einzuschätzen vermag. Dabei bildet Downing sich soviel auf seine Verstellungskünste ein.
    Wir betreten die hölzernen Planken. Die Nacht ist klar. Das Feuerwerk wird gut zu sehen und noch besser zu hören sein. Das Wasser des Teichs liegt da wie ein dunkler Spiegel. Wäre es Tag, würde Samuel mich neben seinem Bild darin vermissen.
    Wir gehen ein paar Schritte, aber nicht bis zum Ende des Stegs. Dann lasse ich mich auf dem Holz nieder und gebe Samuel zu verstehen, daß er es mir nachmachen soll. So liegen wir nebeneinander und schauen zu den Sternen.
    Die Kälte ist auch ihm zur wohlig warmen Decke geworden. Er beklagt sich nicht, im Gegenteil. Ich gaukle ihm soviel Zufriedenheit vor, wie er sie gewiß nicht einmal in den Armen seiner Frau (die ihn schon suchen mag) oder einer anderen Liebschaft findet.
    Hier draußen sind und bleiben wir allein, dafür will ich Sorge tragen. Meine Magie umschirmt uns. Niemand wird die traute Zwei-samkeit zerstören können.
    Ich bin alt. Aber in Samuels Nähe fühle ich mich neugeboren.
    Es wird noch besser kommen.
    Gleich wird die hehre Mitternacht eingeläutet, und die Ziffern auf den alten Kalendern werden übermalt werden müssen.
    1660.
    In vierzig Jahren wird das Jahrhundert wechseln.
    Und in dreihundertvierzig das Jahrtausend.
    Werde ich dann auch auf dem Rücken liegen, irgendwo, einen Gespielen zum Trunke bei der Hand, und so tun, als rührte mich das Rascheln der Blätter im Wind der Zeit an?
    Ich verwandle mich. Der süße Schmerz der Metamorphose läßt eine neuerliche Maske über meine Züge wuchern - meine Züge formen sich zu einem ehrlicheren Abbild meiner Seele.
    Ich greife hinüber und ziehe Samuel über mich. Er ist leicht wie eine Feder, nachdem meine wahren, aber die meiste Zeit schlummernden Kräfte zum Ausbruch gekommen sind.
    »Was wird jetzt geschehen?« fragt er.
    In diesem Augenblick beginnen fern die Glocken verhaßter Kirchen zu läuten. Kanonen, Pistolen und Gewehre krachen, um das Neue Jahr zu begrüßen.
    Auch ich begrüße es, die Augen über Samuels Schulter hinweg in die Weite des Himmels gerichtet.
    Blut füllt meinen Mund. Prickelnder Saft . Nektar der Götter .
    Ah, ich vergehe, während ich aus meinem mitgebrachten Gefäß trinke. Lust und Genuß sind eins. Ich erschauere. Der Himmel rückt näher, die Sterne, der Mond .
    Ich verliere mich ganz in meinem Wohlgefühl.
    Das abrupt endet - als die Welt zerbricht!
    Als irgend etwas geschieht .
    WAS .?
    Das Wasser unter dem Steg beginnt zu kochen. Die Nacht erlischt in einem violetten Blitz, der für immer stehenzubleiben scheint, bis ich erkenne, daß es kein Blitz ist, sondern . ja, was .?
    Ein Riß?
    Ein Spalt?
    Ein rotierender Taifun wie jene, von denen so manches Schiff - zuletzt eins, das aus Siam zurückkam - uns Kunde überbrachte?
    Nein . nichts von alledem . Es geht kein Wind, nicht das leiseste Lüftchen!
    Alles, ich eingeschlossen, liegt still und starr danieder!
    Meine Zähne sind noch immer in Samuels Hals. Sein Blut füllt noch immer meinen Mund. Aber es fließt nicht mehr. Alles, wahrhaftig alles hat aufgehört zu fließen. Nur meine Gedanken scheinen davon ausgenommen - aber vielleicht bilde ich mir das auch ein. Vielleicht ist dies der Tod, von dem ich glauben wollte, er könnte mich nie umfangen; er könnte keinem, dessen Blut wie meines schwarzgefärbt ist, je etwas anhaben .
    Dann - bewegt sich die Zeit, bewegen wir uns wieder. Samuel und ich. Er versucht sich von mir zu befreien. Mein Einfluß auf ihn scheint erloschen. Und als er mich ein Stück weit hochreißt, vermag ich hin zum Ufer zu blicken, genau in jene Richtung, in der das Haus liegen muß, aus dem wir kamen.
    Aber uns viel näher als Downings elegantes Domizil ist .
    ES!
    ... ein zuckender, leuchtender, rotierender Spuk.
    Ein Kugelblitz von solchen Ausmaßen, wie ich noch keinen jemals sah und noch keinen selbst erzeugte!
    Er schwebt dicht über dem Ufergras. Einen Moment sieht er wie eine hohle Schale aus, in der sich Schatten winden - im nächsten erscheint mir dieses Phänomen wie der Eingang zu einem Schacht, den niemand wagen durfte zu betreten.
    NIEMAND.
    Nicht einmal ich oder ein anderes Familienmitglied!
    Ich spüre, wie meine Magie, die ich entfaltete, um
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher