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London 1666

London 1666

Titel: London 1666
Autoren: Vampira VA
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unrettbar Verlorenen . rote Kreuze auf den Haustüren versiegelter Häuser, dazu die flehentlichen Aufschriften: »Gott erbarme dich unser .«
    Der Allmächtige hatte sich keines der Elenden erbarmt.
    Nur mir.
    (Der Allmächtige ...?)
    Wie durch einen Mantel aus Watte hindurch spürte Ruby, wie sie hochgehoben und von dem immer noch lachenden und in sich hineinkichernden Mannsbild geschultert wurde.
    Er war gar nicht so schwach und unbeholfen, wie er den Anschein erweckt hatte!
    Ruby begriff, daß sie ihm auf den Leim gegangen war. Aber für Reue war es zu spät. Fieberhaft suchte sie nach einem Ausweg. Es war nicht schwer zu ergründen, was er mit ihr vorhatte. Sie besaß weder Geld noch Schmuck, nur ein paar Lumpen, die nicht besser waren als seine und ... sich selbst.
    Ja, es war klar, was er ihr antun wollte. Dieser ungewaschene, ungehobelte, gierige Dreckskerl würde sie vergewaltigen und dann in den Fluß werfen, wo die Fische sie bis auf das Skelett abnagen würden .
    Nein!
    Es mußte doch .
    Ruby glaubte zunächst, sich die Stimme nur eingebildet zu haben - die Stimme, die sagte: »Laß sie los! Leg sie ganz sacht wieder auf den Boden zurück. Und dann sieh zu, daß du fortkommst, oder ich werd' persönlich dafür sorgen, daß man dich aufhängt!«
    *
    Samuel Pepys war schon die ganze Nacht unterwegs. Zuerst hatte er in der »Trompete« gezecht und war mit der Wirtin, Mrs. Lane, in ihre Wohnung hinaufgegangen, wo sie ihn wieder einmal angebettelt hatte, ihrem Taugenichts von Gatten eine Stelle zu vermitteln. Nachdem er ihr vage Bereitschaft signalisiert hatte, war sie ihm sogleich an die Hose gegangen.
    Doch der ungezogene Balg im Nebenzimmer, den sie im letzten Jahr zur Welt gebracht hatte, hatte die ganze Zeit geplärrt, so daß er ihre geschickten Lippen und die Zunge nicht recht hatte genießen können. Um die Sache zu beenden, hatte er sie rasch genommen und sich mit ein paar unverbindlich gehaltenen Zusagen davongemacht. Danach hatte er noch zwei weitere Schenken besucht, mit diesem und jenem geplaudert und gegen Morgen Lust auf einen Spaziergang verspürt.
    So war er Zeuge des gemeinen Angriffs eines tumben Kerls auf eine zierliche Gestalt geworden, die Pepys im ersten Betrachten zunächst für einen Burschen gehalten hatte. Doch schon beim zweiten Hinsehen waren ihm die unübersehbaren Attribute aufgefallen, für die er ein Auge hatte. Nicht der unbestechliche Chronist in ihm, zu dem er sich berufen fühlte, viel mehr noch der unverbesserliche Schwerenöter, der schon manches Gelübde abgelegt, aber auch ebenso oft gebrochen hatte, sofern es die eheliche Treue anging .
    »Laß sie los! Leg sie ganz sacht wieder auf den Boden zurück. Und dann sieh zu, daß du fortkommst, oder ich werd' persönlich dafür sorgen, daß man dich aufhängt!«
    Noch während er dem Verwahrlosten seine Drohung entgegenschleuderte, eilte Pepys beherzt auf ihn zu.
    Er hatte nicht übertrieben, ganz und gar nicht. Sein Wort besaß bei Hofe einiges Gewicht, selbst beim König. Wenn er bezeugte, was er hier gesehen hatte .
    Der Kerl mit dem Bündel Mensch auf seiner Schulter war herumgefahren. Im ersten Moment schien sich ein hämischer Zug um die wulstigen Lippen legen zu wollen, doch dann weiteten sich seine Augen, und er schleuderte seine Last - eigentlich seine Beute - mit einem gutturalen Schrei auf das Pflaster, so daß zu befürchten stand, dies könnte das Ende des Mädchens bedeuten.
    Von der Halbwüchsigen kam kein Laut, dafür wirbelte das brutale Scheusal halb um die eigene Achse und rannte, ohne auch nur den Versuch zu wagen, Pepys zu attackieren, mit rudernden Armen und laut lamentierend die Straße hinauf Richtung Aldersgate davon.
    Pepys versuchte nicht, ihm zu folgen. Unschlüssig, ob er sich überhaupt erleichtert fühlen sollte, kümmerte er sich um das Mädchen.
    Es war bezaubernd.
    Aber vielleicht war es auch schon tot .
    *
    Ruby blinzelte in ungewisse Düsternis. Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, daß sie sich in einer Kutsche befand, schräg in der Ecke des Verschlags plaziert, so daß sie nicht hatte nach vorn kippen können.
    Ihr gegenüber saß ein nobler Herr.
    »Ich fürchtete schon«, sagte er, »ich müßte dich verloren geben, schöne Blume.«
    Schöne Blume. Pestblüte.
    Ruby setzte sich ruckartig zurecht. Der Schmerz, der augenblick-lich überall in ihrem Körper zu pochen begann, erinnerte sie daran, was geschehen war.
    »Wart Ihr das, der den gemeinen Hund vertrieben hat ...?«
    Das
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