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London 1666

London 1666

Titel: London 1666
Autoren: Vampira VA
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bleich gepuderte Gesicht unter der Perücke lächelt. »Das traust du mir wohl nicht zu?«
    »Doch ... doch!« beeilte sie sich zu versichern, obwohl er wirklich nicht den Eindruck eines erprobten Kämpfers machte. Er sah eher aus wie die vielen Sesselfurzer, die andere Leute um ihr Hab und Gut betrogen .
    »Wie heißt du?«
    Vorsichtig tastete sie über ihren linken Unterarm, der stark geblutet haben mußte und immer noch höllisch wehtat, wiewohl ein seidener Schal als Verband herhielt. »Ruby.«
    Er überlegte so lange, bis das, was er schließlich sagte, wie eine Lüge klang. »Ich bin Mr. Somerset.«
    Ruby nickte, obwohl sie ihm nicht glaubte. Offenbar fürchtete er, von seiner unverhofften und auch nicht ganz freiwilligen Bekanntschaft kompromittiert zu werden.
    »Wenn du es gestattest«, fuhr er fort, »möchte ich dir helfen.«
    »Ihr habt mir schon geholfen - mehr als genug.«
    Er schüttelte den Kopf. »Da bin ich anderer Ansicht.«
    Ruby rutschte unruhig auf der Bank hin und her. »Bitte, Ihr müßt mir nicht -«
    »Ich weiß, daß ich nicht muß«, unterbrach er sie in einem Ton, der vorgab, keinen weiteren Widerspruch zu dulden. »Aber ich möchte. Ich möchte sehr gern. Du bist viel zu schade, um dich ständig deiner Haut erwehren zu müssen. Ich sag es frei heraus: Vielleicht könnte man sich einig werden. Zuerst müssen deine Wunden versorgt werden. Dann brauchst du einfache, aber schickliche Kleidung und ein falsches Zeugnis, das zu besorgen kein Problem sein wird .«
    »Aber ...«, setzte Ruby an. Sie wollte fragen, was dies alles bezwecken sollte, doch er führte bereits unbeeindruckt weiter aus: »Gleich morgen vormittag wirst du dann bei meiner Frau vorstellig. Sie sucht eine zusätzliche Magd; die andere ist schon alt, oft krank und wird wohl nicht mehr lange bei uns sein ... Was ist? Hättest du dazu Lust, oder gefällt es dir draußen in der Gosse besser?«
    Ruby schluckte.
    »Wie alt bist du?« fragte er, als sie nicht sogleich antwortete.
    »Sechzehn.«
    »Sechzehn .« Er dehnte die Zahl, als wäre sie eine Köstlichkeit, die er sich auf der Zunge zergehen lassen wollte. »Was ist mit deiner Familie?«
    »Ich habe keine.«
    »Sind deine Eltern tot?«
    Ruby zuckte die Schultern.
    »Du weißt es nicht?«
    »Nein.«
    »Bist du fortgerannt von zu Hause?«
    »Nein.«
    »Was dann?«
    Sie überlegte, ob es ihn denn etwas anginge.
    Er hat dein Leben gerettet! Sie lachte lautlos und tieftraurig. Und jetzt will er eine Belohnung dafür, minderte sie den Wert seines mutigen Einschreitens ab.
    »Ich bin einverstanden«, sagte sie.
    »Womit?«
    »Mit ... allem.«
    Seine Augen leuchteten auf. Verhalten rieb er sich die Hände. »Ich kenne eine Unterkunft ganz in der Nähe meines Hauses. Sie ist schäbig, aber man stellt keine Fragen. Die Kutsche wird uns hinbringen. Aber du steigst alleine aus. Hier .« Er griff unter die Falte seines Rocks und kramte umständlich ein paar Münzen aus einem Lederbeutel. »Das sollte genügen, um dir für eine Nacht ein Dach über dem Kopf zu sichern. Von dem, was übrigbleibt, kaufst du dir mor-gen ein paar Sachen. Und vergiß nicht, dich zu waschen und zu kämmen. Das Zeugnis laß' ich morgen in der Früh beim Portier hinterlegen. - Hast du alles verstanden?«
    »Fast.« Ruby biß sich kurz auf die Unterlippe.
    »Frag, was du noch wissen willst.«
    »Was ist, wenn Eure Frau mich ablehnt?«
    »Das wird sie nicht. Ich zahle die Dienerschaft. Die letzte Entscheidung obliegt dem Herrn des Hauses. Sorgen bereitet mir höchstens etwas anderes.«
    »Und was?«
    »Ob du eine Magd glaubhaft machen kannst. Ich fürchte, du kannst die Widerspenstigkeit, die mir durchaus in deinem Blick gefällt, nicht so verstecken, wie es nötig wäre, um -«
    »Ich kann«, widersprach Ruby. Und im nächsten Moment verwandelte sich ihr Gesicht tatsächlich in eine Maske bedingungsloser Unterwürfigkeit. Selbst die Augen machten die Verstellung mit.
    Es schien »Mr. Somerset« zu überzeugen.
    »Ach ja«, sagte er, »ehe ich es vergesse: Nun, da du dich entschieden hast, kann ... nein, muß ich dir meinen wahren Namen nennen.«
    Sie heuchelte Überraschung - ebenso perfekt wie gerade noch die devote Dienerin.
    »Ich heiße Pepys. Samuel Pepys. Spätestens morgen würdest du es ohnehin erfahren, und du solltest vorbereitet sein - auf jede Überraschung.«
    »Wie hoch wird mein Lohn sein?« fragte sie.
    »Das Übliche.« Sein fleischiges Gesicht bekam leichte Schieflage. »Über Gratifikationen
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