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Lokalderby

Titel: Lokalderby
Autoren: Jan Beinßen
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ihn in die Küche. »Zeit für die Nachspeise«, entschied er.
    Ehe er sich’s versah, war ihm der Reporter gefolgt und stand dicht hinter ihm, als er das Dessert aus dem Kühlschrank nahm. »Lassen Sie sich doch nicht so bitten, Flemming«, raunte Blohfeld ihm zu. »Sie bekommen gutes Geld für die Bilder. Meinetwegen drucke ich sie anonym ohne Fotonachweis ab, falls Sie befürchten, Ärger mit Ihrer Alten zu kriegen.«
    Paul fuhr mit so viel Schwung herum, dass ein paar Weintrauben auf den Boden flogen. »Darum geht es nicht!«, sagte er verärgert. »Ich bin grundsätzlich gegen die Veröffentlichung von Bildern Sterbender oder Toter.«
    »Interessant«, meinte Blohfeld, bückte sich und hob die Trauben auf. Er rieb sie am Revers seines Jacketts ab und aß sie. »Dann frage ich mich, warum Sie die Fotos überhaupt gemacht haben.«
    »Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass ich Bilder gemacht habe. Und selbst wenn: Von mir bekommen Sie diesmal nichts. Gar nichts.« Paul hatte an die Handyaufnahmen, die er auf Anweisung seines Vaters geschossen hatte, gar nicht mehr gedacht, war jedoch felsenfest dazu entschlossen, sie dem Reporter nicht herauszurücken. Stattdessen würde er Katinka anbieten, die Bilder auszuwerten, falls sie dies für wichtig hielt.
    Blohfeld wäre nicht Blohfeld, wenn er so schnell aufgeben würde: Kaum saßen sie wieder am Esstisch, um sich über den wunderbar milden, fränkischen Schafshartkäse herzumachen, warf er einen Köder aus: »Vielleicht könnte man auf Ihren Bildern ja erkennen, ob es wirklich stimmt, was die Leute munkeln.«
    Paul nahm ein Stück vom Käse und steckte es gleichzeitig mit einer Traube in den Mund. Was mochte Blohfeld da andeuten? Worauf wollte der gerissene Hund hinaus? »Keine Ahnung, von was Sie reden«, sagte er und heuchelte Desinteresse.
    »Sagen Sie bloß, Sie haben es noch nicht gehört?«
    »Was, Blohfeld? Was soll ich noch nicht gehört haben?«
    Der Reporter sah ihn mit übertriebener Verwunderung an. »Da meint man, der Flemming sitzt an der Quelle, wo er doch mit der Frau Oberstaatsanwältin Herd und Bett teilt, aber die wesentlichen Informationen gehen dann doch an ihm vorbei.«
    Paul legte demonstrativ das Besteck beiseite. »Sagen Sie schon: Was für Informationen sollen das sein?«
    Blohfeld gönnte sich zunächst einen weiteren Happen Käse und verkündete erst danach: »Dass der arme Buggi erstickt sein soll. Jemand hatte ihm den Mund vollgestopft, sodass er keine Luft mehr bekam.«
    »Den Mund vollgestopft?« Paul betrachtete sein Gegenüber mit angewiderter Miene. »Mit was denn?«
    Blohfeld ließ ein triumphierendes Lächeln aufblitzen. »Das ist der Clou an der Sache. Da kommen Sie nie drauf!«
    »Also?«, fragte Paul ungeduldig.
    »Kleeblätter! Man soll Buggi eine Handvoll Kleeblätter in den Rachen geschoben haben.«

3
    Hertha war beim Staubsaugen mit dem Fuß unter einen Teppich geraten, umgeknickt und hatte Halt an einer Kommode gesucht. Dabei hatte sie sich so unglücklich abgestützt, dass sie ihr Gelenk überdehnte und sich die Bänder riss. Oder zumindest anriss. Jedenfalls reichte dieser Zwischenfall, um Pauls Mutter für einige Tage schachmatt zu setzen. Als Paul am späten Sonntag gemeinsam mit Katinka nach Herzogenaurach kam, war die Küche kalt geblieben. Statt des erhofften Sonntagsbratens erwartete ihn sein Vater, der bereits mit Jacke und Schuhen in der Haustür stand und nur darauf zu lauem schien, dass sein Sohn ihn abholen würde.
    »Ich kann das wehleidige Gejammer nicht mehr hören«, raunte Hermann ihm in einem seltenen Anflug von Kritik an seiner ihm heiligen Hertha zu. »Wir gehen runter zum Weihersbach und essen was in der Kellerwirtschaft.«
    »Kommt Mutti nicht mit?«, wunderte sich Paul.
    »Die braucht ihre Ruhe – und ich auch.«
    Während Paul unschlüssig von einem Bein aufs andere trat, reagierte Katinka sofort. »Haut schon ab, ihr beiden!«, befahl sie mit verständigem Lächeln. »Ich spiele inzwischen die Krankenschwester und versuche, Schwiegermama aufzuheitern.«
    Also machten sich die beiden Männer allein auf den Weg, der sie zunächst über das Sportgelände des FC Herzogenaurach führte. Eine Anlage, wie sie in fast jeder kleineren Stadt oder Gemeinde der Umgebung existierte, mit einem gut gepflegten, saftig grünen A-Platz und weniger schönen Nebenspielstätten, darunter der ungeliebte Sandplatz. Hier hatte sich Paul als F-Jugendspieler ein ums andere Mal blutige Knie geholt. Während er jetzt mit
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