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Löffelchenliebe (German Edition)

Löffelchenliebe (German Edition)

Titel: Löffelchenliebe (German Edition)
Autoren: Julia Kaufhold
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denkt der Glotzer überhaupt nicht, denn Denken und Triebsteuerung, das geht nicht zusammen. Mir sagte mal ein Mann: Lass dir doch die Weisheitszähne ziehen, dann kommen deine Wangenknochen besser zur Geltung. Definitiv kein Glotzer.
    Eher schon ein Abchecker. Taxieren und bewerten, lautet dessen Devise. Niemals würde er sich die Blöße geben, eine Frau wissen zu lassen, dass er sie anstarrt. Hinter jeder Sonnenbrille verbirgt sich demnach ein potenzieller Abchecker. Wahlweise trägt er das sportliche Oakley-Modell (Surfer, Snowboarder, vor allem aber solche, die vorgeben zu surfen oder zu snowboarden), die klassische Ray-Ban-Wayfarer (kleine Blues-Brothers-Nerds), eine Pilotenbrille (Piloten und andere Überflieger, die ihr Doppelstegbrillentrauma der Grundschulzeit – Streber ! Streber ! – nun endlich überwinden dürfen). Oder er trägt die teure rahmenlose oder halbgerahmte Brillenvariante (hier kenne ich mich nicht aus). Der Abchecker kommt in einen Raum, zum Beispiel in eine Bar, und schaut sich erst einmal um. Unauffällig – denkt er. Irgendwas Brauchbares dabei ? Hier fehlen ein paar Zentimeter an Länge, da sind ein paar zu viel in der Breite, Hohlkreuz, X-Beine, fliehendes Kinn – alles nicht das Wahre. Beim Abchecken bedient er sich der Augenwinkeltechnik, wobei er sich seitlich zum abzucheckenden Objekt positioniert, Kopf und Körper starr geradeaus, nur der Augapfel rollt von einer Dame zur nächsten. Der Abchecker denkt, er wäre schlauer als der Glotzer, dabei ist er eigentlich nur ein ziemlich peinliches Würstchen.
    Neben Abchecker und Glotzer gibt es natürlich noch andere, den Schüchternen etwa, der sich gar nicht traut zu gucken, oder den Mann von Welt, dessen Blick allzu routiniert schmeichelt. Hingegen existieren kaum Männer, die einfach nur freundlich lächeln und einen offenen Blick wagen, der signalisiert: Du gefällst mir. Ist ja nicht so, als würden wir Frauen Unmögliches verlangen ! Meinetwegen darf es auch das alte Hinguck-Wegguck-Spiel sein, auf jeden Fall aber eine Einladung zum Spiel, kein Ich-guck-mal-hier-mal-da-mal-sehen.
    Dieser Blick ! Irgendwie hat er etwas ziemlich Spezielles in mir berührt, nur was ? Ich weiß gar nicht mehr, wo ich meinen eigenen lassen soll, am liebsten würde ich mir den Hals verrenken, um an Herrn Dahl, der immer wieder in mein Blickfeld walkt, vorbeizuschielen. Wo ist er bloß hin ? Er kann doch nicht einfach weg sein ! Da taucht einmal im Leben ein Mann auf, der mich warm und wahrhaftig anschaut, der mich … Ah ja, da, ich sehe ihn, nur von hinten zwar, aber er ist noch da. Ein seltsames Kribbeln durchzieht meinen Körper. Da steht er am Rand des Kunstrasenpodests mit zwei anderen Männern und unterhält sich. Die beiden anderen tragen Anzug, er Jackett zur Jeans, was ja ganz schnell schlimm aussehen kann, lehrerhaft, und das ist noch die freundlichste Umschreibung. Tut es bei ihm aber nicht. Gerade setzt er eine Bierflasche an den Mund, sein Hals biegt sich etwas zurück, ich bekomme eine Gänsehaut.
    Mit einem Mal bin ich hibbelig. Ich will am liebsten aufspringen und einmal quer durch die Halle laufen. Hallo, Sie haben mir gerade zugelächelt ! Sie oder du ? Du hast mich angesehen, als ob … ja, wie eigentlich ? Als würden wir uns kennen ?
    »… Fackelwanderung und Lagerfeuer. Die Bergkämme sollen leuchten !«, unterbricht Herr Dahls plötzlich sehr laute Stimme meine Gedanken. »Ein Floß bauen und den reißenden Strom überqueren, Fische angeln und grillen, ein Überraschungs-Liveact auf der Alm, natürlich passend zur Zielgruppe.« Ich springe auf. Herr Dahl sieht mich überrascht an.
    »Es tut mir ausgesprochen leid«, bringe ich so ruhig, wie es mir in Anbetracht der Umstände möglich ist, hervor, »aber ich habe gerade mit Schrecken festgestellt, dass es ja schon fast achtzehn Uhr ist. Sie haben es vorhin vielleicht mitbekommen: Eine wichtige Maßnahme zur Kundenbindung erwartet mich. Ich melde mich bei Ihnen.«
    Ich strecke ihm die Hand entgegen, verdutzt ergreift er sie, und bevor er noch etwas sagen kann, bin ich auch schon auf und davon. In die falsche Richtung zwar und immer noch mit dem Weinglas in der Hand, trotzdem stöckele ich strammen Schrittes von dannen. Bis ich hinter der nächsten Ecke und damit aus dem Dahl’schen Blickfeld verschwunden bin.
    Was tue ich hier ? Ich sollte … oho ! Na, wenn das kein perfekter Aussichtspunkt ist ! Ich stehe hinter den provisorischen Alpen der bergförmigen Bühnenkonstruktion
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