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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)
Autoren: Jonathan Stroud
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Lockwood, von Lockwood und Co. Sie hatten bei uns angerufen.«
    Die Frau blieb auf der vorletzten Stufe stehen und schaute uns zum ersten Mal richtig an. In ihren grauen Augen spiegelten sich die üblichen Regungen: Misstrauen, Feindseligkeit, Unsicherheit und Angst. Angesichts unseres Berufs war das nichts Ungewöhnliches, deshalb nahmen wir es nicht persönlich.
    Ihr Blick huschte zwischen Lockwood und mir hin und her. Sie musterte unsere gepflegte Kleidung, das sorgfältig gekämmte Haar, die blitzenden Degen an unseren Gürteln, die schweren Taschen in unseren Händen. Sie machte keine Anstalten, die Haustür zu öffnen und uns hereinzubitten. Ihre freie Hand hatte sie in der Jackentasche vergraben, die sich daraufhin noch mehr ausbeulte.
    »Nur Sie beide?«, fragte sie schließlich.
    »Nur wir«, erwiderte ich.
    »Sie sind noch sehr jung.«
    Lockwood knipste sein verbindlichstes Lächeln an, dessen Leuchtkraft den trostlosen Abend erhellte. »Das ist ja gerade der Witz an der Sache.«
    »Genau genommen bin ich nicht Mrs Hope.« Sie erwiderte Lockwoods Lächeln reflexartig, aber das ihre blitzte nur flüchtig auf und erlosch sogleich wieder. Zurück blieb der ängstliche Ausdruck. »Ich bin Suzy Martin, die Tochter von Mrs Hope. Meine Mutter ist leider verhindert.«
    »Aber Ihre Mutter hat den Termin mit uns vereinbart«, sagte ich. »Sie wollte uns durchs Haus führen.«
    »Ich weiß.« Die Frau blickte verlegen auf ihre blank geputzten schwarzen Schuhe. »Sie weigert sich, jemals wieder einen Fuß über die Schwelle zu setzen. Die Umstände von Vaters Tod waren schrecklich genug, aber seither sind die nächtlichen … Störungen unerträglich geworden. Letzte Nacht war es so schlimm, dass Mutter einfach nicht mehr konnte. Sie hat ihre Sachen gepackt und ist zu mir gezogen. Wir wollen das Haus verkaufen, aber das geht natürlich nur, wenn … aber deswegen sind Sie ja hier. Verzeihen Sie die Frage, aber haben Sie denn keinen Vorgesetzten? Ich dachte, bei einer Ermittlung muss immer ein erwachsener Berater dabei sein. Wie alt sind Sie überhaupt?«
    »Gerade alt genug und eben noch jung genug«, erwiderte Lockwood lächelnd. »Also im perfekten Alter.«
    Jetzt mischte ich mich wieder ein: »Das Gesetz schreibt lediglich die Anwesenheit eines Erwachsenen vor, wenn die Agenten noch in der Ausbildung sind. Es stimmt zwar, dass die größeren Agenturen immer mit Beratern arbeiten, aber das ist deren Geschäftspolitik. Wir sind absolut qualifiziert und unabhängig und brauchen so etwas nicht.«
    »Wir haben die Erfahrung gemacht«, sagte Lockwood honigsüß, »dass Erwachsene eher hinderlich sind. Aber wir können Ihnen gern unsere Zulassungsurkunde zeigen, wenn Sie das möchten.«
    Mrs Martin strich sich mit der Hand über ihr ordentliches blondes Haar. »Nein … nicht nötig. Mutter wird sich schon etwas dabei gedacht haben, als sie ausgerechnet Ihre Agentur beauftragt hat.« Ihre Stimme verriet nicht, was sie selbst davon hielt. Eine kurze Pause entstand.
    »Ich hätte da noch eine Frage«, brach ich das Schweigen. »Ist jemand im Haus? Als wir geklingelt haben, hatte ich den Eindruck …«
    Mrs Martin hob sofort den Blick und sah mich an. »Das kann nicht sein. Ich habe den einzigen Schlüssel.«
    »Dann habe ich mich wohl geirrt.«
    »Ich will Sie nicht weiter aufhalten«, sagte Mrs Martin. »Meine Mutter hat das Formular ausgefüllt, das Sie ihr zugeschickt hatten.« Sie hielt uns die Mappe hin. »Hoffentlich hilft Ihnen das weiter.«
    »Ganz bestimmt.« Lockwood versenkte die Unterlagen in der Innentasche seines langen, weiten schwarzen Mantels. »Vielen Dank. Dann fangen wir am besten gleich an. Richten Sie Ihrer Mutter bitte aus, dass wir uns morgen früh bei ihr melden.«
    Die Frau überreichte Lockwood einen Schlüsselbund. Auf der Straße ertönte eine Autohupe. Eine zweite Hupe antwortete. Bis zur Ausgangssperre waren es noch ein paar Stunden hin, aber es dämmerte und die Leute wurden allmählich kribbelig. Sie wollten nach Hause. Bald schon würde sich nichts anderes mehr durch die Straßen Londons bewegen als Nebelschwaden und Mondstrahlen. Zumindest nichts, was Erwachsene sehen konnten.
    Auch Suzy Martin war sich dessen bewusst. Sie zog fröstelnd die Schultern hoch und wickelte sich enger in ihre Strickjacke. »Ich muss los. Viel Glück für Sie beide …« Sie schaute uns nicht an, als sie hinzusetzte: »Noch so jung … In was für schrecklichen Zeiten leben wir bloß!«
    »Auf Wiedersehen, Mrs
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