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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)
Autoren: Jonathan Stroud
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Martin«, sagte Lockwood. »Schönen Abend noch.«
    Sie gab keine Antwort, sondern eilte die Treppe hinunter und durch den Vorgarten. Der Nebel hatte sie im Nu verschluckt.
    »Ihr gefällt das Ganze nicht«, stellte ich fest. »Wahrscheinlich sind wir den Fall morgen früh wieder los.«
    »Dann lösen wir ihn am besten gleich heute Nacht«, gab Lockwood zurück. »Bist du so weit?«
    Ich tätschelte meinen Degenknauf. »Klar.«
    Lockwood grinste mich an, steckte den Schlüssel ins Haustürschloss und drehte ihn mit der schwungvollen Gebärde eines Zauberkünstlers herum.
    * * *
    Sobald man ein Haus betritt, in dem sich ein Besucher eingenistet hat, sollte man sich ranhalten. Das gehört zu den ersten Regeln, die man lernt. Kein Zögern, kein unschlüssiges Verweilen auf der Schwelle.
    Warum? Weil es in diesen paar Sekunden noch nicht zu spät ist. Wenn man in der offenen Haustür steht, hinter sich die frische Luft und vor sich die Dunkelheit, müsste man verrückt sein, nicht den übermächtigen Wunsch zu verspüren, kehrtzumachen und wegzurennen. Hat man sich das aber erst einmal eingestanden, versickert der eigene Mut, das Herz beginnt zu rasen, die Kehle schnürt sich zu, und zack!, schon ist es passiert: Man will aufgeben, bevor man überhaupt angefangen hat.
    Lockwood und ich hatten diese Erfahrung beide schon gemacht, darum traten wir entschlossen in die dunkle Diele, stellten unsere Taschen ab und machten leise die Tür hinter uns zu. Mit dem Rücken dagegengelehnt, standen wir reglos Seite an Seite und lauschten.
    Die Diele des Hauses, in dem bis vor Kurzem das Ehepaar Hope gewohnt hatte, war ein schmaler, lang gestreckter Raum, den die hohe Decke großzügiger wirken ließ. Die schwarz-weißen Fliesen auf dem Boden waren diagonal verlegt, helle Tapeten zierten die Wände. Eine steile Treppe führte nach oben. Hinter der Treppe machte die Diele einen Knick und verlor sich in der Finsternis. Die Türen auf beiden Seiten des vorderen Teils standen klaffend offen wie schwarze Mäuler.
    Wir hätten natürlich Licht machen können. Der Schalter war gleich neben der Tür. Aber das ließen wir schön bleiben. Die zweite Grundregel lautet nämlich: keine Elektrizität. Sie beeinflusst die sinnliche Wahrnehmung negativ. Im Dunkeln stehen und Augen und Ohren offen halten, ist immer noch das Beste. Außerdem schärft Angst die Sinne.
    Also horchte ich und Lockwood spähte umher. Es roch muffig und ein bisschen säuerlich, so wie es eben riecht, wenn ein Haus nicht geliebt und gepflegt wird. Und es war kalt.
    Ich beugte mich zu Lockwood hinüber. »Keine Heizung«, raunte ich.
    »Mm-hm.«
    »Da ist noch was, oder?«
    »Mm-hm.«
    Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, sodass ich jetzt Einzelheiten erkennen konnte. Neben der Treppe stand ein kleiner Lacktisch. Darauf befand sich eine Porzellanschale mit getrockneten Blüten. An den Wänden hingen gerahmte Landschaftsfotos und verblichene Plakate alter Musicals. Alles ganz alltäglich. Eigentlich war es ein hübscher Raum. Tagsüber, wenn die Sonne schien, wirkte er bestimmt einladend. Aber nicht um diese Uhrzeit, da das letzte Tageslicht durch die Scheiben in der Haustür fiel und in rautenförmigen Bahnen schiefe Särge, in denen sich unsere Schatten abzeichneten, auf den Boden warf. Und schon gar nicht, wenn man wusste, auf welch schreckliche Art der alte Mr Hope hier in der Diele ums Leben gekommen war.
    Ich verscheuchte die morbiden Gedanken, machte die Augen zu und lauschte erneut.
    Lauschte …
    Dielen, Flure und Treppen sind die Adern und Atemwege eines jeden Gebäudes. Dort muss alles hindurch. Dort sammeln sich die Geräusche aus den anderen Räumen, man hört alles, was vor sich geht. Und manchmal hört man noch etwas anderes – Geräusche, die streng genommen dort nichts zu suchen haben. Es sind Echos aus der Vergangenheit, der Nachhall verborgener Geschehnisse …
    So wie gerade jetzt.
    Ich machte die Augen wieder auf, nahm meine Tasche und ging langsam zur Treppe.
    Lockwood stand schon vor dem Lacktischchen. Das Licht, das durch den Glaseinsatz der Haustür fiel, erhellte sein Gesicht. »Hast du etwas gehört?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Was denn?«
    »Ein Klopfen. Es kommt und geht. Es ist sehr leise und ich kann es nicht orten. Aber es wird bestimmt noch lauter, wenn es hier drinnen erst richtig dunkel ist. Und du? Siehst du etwas?«
    Lockwood zeigte auf den Boden vor der Treppe. »Du weißt, was mit Mr Hope passiert ist, oder?«
    »Er ist die
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