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Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?

Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?

Titel: Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?
Autoren: Ursula Essling
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aber wir wissen nicht wie alt. Er hat viele Falten, aber er ist herzensgut und wir lieben ihn alle. Deshalb lernen wir auch für ihn, damit er nicht traurig ist. Aber ich kapiere die Buchstaben einfach nicht.
    Mama will, dass Papa mit mir übt, weil sie ja jetzt auch arbeiten geht. Sie putzt mittags beim Bäcker. Frau Schmidt hat sie gefragt; nun ist sie von zwei bis um fünf dort. Sie hat sich auch geniert, als die Bäckersfrau sie fragte, was sie in der Stunde verdienen wolle. „Geben Sie mir halt fünfundsiebzig Pfennig“, hat meine Mutter gesagt. Ich bin dabei gewesen. Frau Schmidt hat sofort genickt. Jetzt bringt Mama oft übrig gebliebene Stückchen von gestern mit. Das finde ich gut. Naja, jedenfalls übt mein Vater jetzt mit mir, aber er verliert immer gleich die Geduld. In unserem Lesebuch sind viele kleine Geschichten. Ich möchte gerne wissen, wovon die handeln, weil mir auch die Bilder so gut gefallen. Papa liest sie mir vor und ich lerne sie auswendig. Wenn die richtige Geschichte in der Schule dran ist, die, welche ich auswendig kann, lese ich auch vor. Da wundert sich Herr Göring immer, wie fließend das geht.
     
    Meine Schwester geht in Auenheim zur Schule. Da muss sie mit dem Fahrrad hinfahren. Da fahren die Wolfmädchen auch immer mit hin, und noch zwei andere Mädchen aus Kattenbach.
    Sie kriegen auch Schulspeisung. Inge, die ganz dick mit der struwweligen Angelika Wolf befreundet ist, vergräbt die Schulspeisung öfter hinter den Bäumen am Schulhof. Sie wurden erwischt und es ist ein blauer Brief gekommen. Inge hat geheult, weil Mama sich so furchtbar aufgeregt hat. Da die Lehrerinnen alle schwarze Nonnen sind, haben sie von großer Sünde und so geschrieben. Aber Inge hat gesagt, lieber würde sie Pappe essen, so schrecklich sei das Zeug. Und wenn sie von dieser Schule müsste, so wäre das auch nicht so schlimm, die Schwestern wären auch nicht alle gerecht.
    Die Mädchen aus Auenheim haben zuhause Bauernhöfe. Da bringen sie den Nonnen mal ein paar Eier, mal `ne Wurst oder einen Schinken mit. Annemarie Neumann hat neulich ihr Gedicht nicht gekonnt und unsere Inge konnte es ganz auswendig. Ich weiß das, weil sie es mir so schön dramatisch vorgetragen hat. Es war furchtbar lang und hieß „Der Knabe im Moor“. Sie hat das mit rollenden Augen gemacht und mit wilden Zuckungen, sodass mir ganz unheimlich wurde. Sie will später mal Schauspielerin werden. Jedenfalls hat sie für das Gedicht nur eine Drei eingetragen bekommen und die Annemarie, die nur so rumgestottert hat, ein Zwei! Aber, die haben auch einen großen Bauernhof. Sie brachte der Schwester Innozenz auch gerade an diesem Tag eine große Salami für das Gedicht mit.
    Ich werfe meine Schulspeisung nie weg. Wir bekommen sie zwar auch von christlichen Seelen gespendet, aber die sind in Amerika. Komisch, ich glaube, die Amerikaner wissen besser, was Kinder mögen. Wir bekommen eine kleine Flasche Milch mit Strohhalm und ein Sandwich mit Schinken oder Erdnussbutter. Manchmal ist noch ein Riegel Schokolade dabei. Neulich gab es nur die Milch und statt des Brotes für jeden ganze fünf Rollen Drops. Wir haben uns alle riesig gefreut.
    Es gibt also auch schöne Tage in der Schule. Am schönsten sind die Pausen. Da sitzen wir, die Gisi, die Ursel, die Barbara und ihre Schwester Maria, meistens auf der Bank im Schulgarten und spielen „Taler, Taler, du musst wandern“. Oder an der Wand hinter der Treppe „Abends, wenn der Mond scheint“. Das spiele ich besonders gern.
    In der Schule kenne ich Paul kaum, weil er mich da auch nicht näher kennen will. Die Jungen sind ja alle blöd. Die sagen aber wieder über uns „Die blöden Kebsweiber“. Das ist alles andere als nett; denn ich bin kein Kebsweib und will auch nie eins werden. Meine Freundinnen auch nicht. Ich habe Mama gefragt, was ein Kebsweib ist, aber sie sagte nur, das brauchte ich noch nicht zu wissen.
    Paul und ich sind aber nach wie vor dauernd zusammen. Wenn wir auf dem Hof spielen und seine Mutter ruft ihn, verstecken wir uns meistens in dem Baumhaus, das er gebaut hat. Da kommt Frau Wolf nicht hoch. Wenn sie ihn aber vorher erwischt, schickt sie ihn meistens zum Einkaufen. Er will aber nicht zum Braun. Da nimmt sie den Besen und versucht, ihn damit zu verhauen. Er ist aber sehr flink und entkommt dem Besen meistens. Da rennt er vorneweg, Frau Wolf mit dem Besen hinterher. Meistens langen sie gleichzeitig beim Braun an. Ich finde, da hätte Frau Wolf gleich selber einkaufen
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