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Lockende Kuesse

Lockende Kuesse

Titel: Lockende Kuesse
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schäbig.«
    »Macht doch nichts, Mädelchen. Wo Dreck ist, ist auch Geld.«
    »Ach Opa, du hast doch für jede Gelegenheit einen Spruch. Aber wo sind all die großen Häuser und die prächtigen Kutschen?«
    »Ah, Mädelchen, wir sind hier nicht in London. Das hier ist Lancashire, wo all die Fabriken stehen. Hier wird wohl all das Geld gemacht, und nach London gehen die Leute dann, um's auszugeben.«
    Terry drückte tröstend ihre Hand. »Mach dir nichts draus, wir werden eh nicht in einer von diesen elenden kleinen Gassen wohnen. Wir wohnen beim Gutsherrn, und der hat sicher ein großes, prächtiges Haus.«
    Kitty seufzte: »Aber mir tun alle so Leid. Wie sollen sie sich bloß an die Arbeit in den Fabriken gewöhnen?« Swaddy tätschelte ihre Hand. »Man gewöhnt sich ans Hängen, wenn man bloß lang genug baumelt«, erwiderte er.
     
    Es war schon spät in der Nacht, bis sich alle bei den irischen Familien, die in dem Arbeiterviertel Spake Hazy lebten, eingerichtet hatten. Swaddy und seine beiden Enkel wurden im Haus seiner Nichte untergebracht. Ada Blakely, eine kleine Frau, die, obwohl noch jung, bereits stark gealtert schien, hieß sie mit einer Kanne heißem Tee und einer Kartoffelpastete willkommen. Jack, ihr Mann, war nirgends zu sehen, und sie erklärte ihnen, dass er die Abende immer im Dog & Kennel verbrachte, dem Pub am Ende der Gasse. Sie hatte fünf Kinder, die Alteste war zwölf, und das jüngste war noch ein Baby. Alle bis auf die Älteste waren schon im Bett. Das Mädchen konnte die Augen nicht von den wunderschönen Geschwistern abwenden, die man so unversehens bei ihnen einquartiert hatte.
    »In diesen winzigen Häusern gibt's doch bloß zwei Zimmer oben und zwei unten. Ich weiß wirklich nicht, wo ich euch unterbringen soll«, klagte Ada händeringend.
    Kitty meldete sich zu Wort. »Terry und ich können hier unten schlafen, es ist ja bloß für heute Nacht. Morgen schickt uns der Gutsherr O'Reilly eine Kutsche, wir sollen nämlich bei ihm arbeiten. Opa ist zu alt, um noch in der Weberei arbeiten zu können, aber er wird dir hier eine große Hilfe sein. Er kann sehr gut mit Kindern, er hat mich und Terrance aufgezogen.«
    »Vielleicht könntest du auf die Kleinen aufpassen, dann könnte ich mir Arbeit in der Weberei suchen«, sagte Ada hoffnungsvoll zu dem Alten.
    Als alle ins Bett gegangen waren und Terry sich auf dem Rosshaarsofa ausgestreckt hatte - saß Kitty noch vor dem Feuer und las in ihrem Buch, das sie, bis auf die Tarotkarten der Familie, als einzige Habseligkeit mitgenommen hatte. Es hieß dort: Kratzen Sie sich nie vor anderen am Kopfe, stochern Sie sich nie in den Zähnen herum, reinigen Sie sich nie in der Öffentlichkeit die Nägel, und bohren Sie nie vor anderen in der Nase. Spucken Sie so wenig wie möglich und niemals auf die Straße. Als Kitty das Buch beiseite legte, fiel sie sofort in einen tiefen Schlaf.
     
    Die Kutsche traf früh am nächsten Morgen ein, und Kitty war zutiefst erleichtert darüber, dass der Gutsherr Wort gehalten hatte. Nach einem tränenreichen Abschied brachte sie die Kutsche aus der dreckigen kleinen Gasse fort und hinaus aufs freie Land. Im Licht des Tages sah Kitty, dass die Ortschaft in einer Senke lag, und wenn man den Blick hob, konnte man sehen, dass sie von dunkelgrünen Mooren umgeben war.
    »Oh, es ist eine Stadt in einer Schüssel, Terrance. Deshalb heißt sie auch Bolton - von >Bowl< Schüssel!«
    Die O'Reillys lebten auf einem Anwesen mit Namen Hay House. Die Kutsche näherte sich dem Landsitz über eine lange, dicht mit Rhododendron bewachsene Auffahrt, der in voller, leuchtend roter Blüte stand. Terry musste gleich bei den Pferdeställen bleiben, und Kitty wurde zum Dienstboteneingang gebracht. Dort erwartete sie die Haushälterin mit einem lauten, verächtlichen Schnauben. »Eine irische Zigeunerin! Ich weiß wirklich nicht, was sich der Herr dabei gedacht hat.«
    Kitty dachte, du wirst mir aus der Hand fressen, noch bevor dieser Tag vorbei ist. Dann machte sie vor der Haushälterin einen höflichen Knicks und zwitscherte: »Freut mich sehr, Sie kennen zu lernen, Ma'am. Ich sehe jetzt schon, dass ich hier sehr glücklich sein werde, Sie haben ja ein so gemütliches Heim geschaffen. Kein Wunder, dass der Gutsherr immer so lobend von Ihnen spricht, wenn er nach Irland kommt.«
    In Mrs. Thomsons Augen flackerte Interesse auf, und Kitty fuhr eifrig fort: »Seinen Schatz, so nennt er Sie, wissen Sie.«
    »Komm und setz dich, Kind; hast du
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