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Lobgesang

Titel: Lobgesang
Autoren: Ken Scholes
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Haut. Er konnte das Meersalz riechen, vermischt mit dem Schweiß der letzten Nacht. Hinter ihm in der Hängematte gähnte das Mädchen und regte sich. Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu und lächelte. Sie erwiderte
das Lächeln und neigte den Kopf. Er nickte ihr ebenfalls zu und beobachtete, wie sie sich aufrappelte und vom Strand entfernte.
    Um ihrem Vater zu berichten, was sich hier zugetragen hat, so viel ist sicher. Er schmunzelte.
    Vlad Li Tam streckte sich und spürte, wie seine Gelenke und Sehnen knackten. Letzte Nacht hatte er sich selbst überrascht. Mit seinen zweiundsiebzig Jahren ließ er sich nur selten auf Liebesabenteuer ein, aber auf den Zerstobenen Inseln gründete sich die Bundschaft auf schlichtere Prinzipien. In den letzten sieben Monaten hatte er die Gepflogenheiten und Riten der Inseln aus erster Hand bezeugt und wenn nötig selbst daran teilgenommen – wenn nicht, hatte er einen seiner Söhne oder eine seiner Töchter hingeschickt. Die Ausführung war auf allen Inseln ähnlich, und die meisten bedienten sich einer, wenn auch etwas primitiveren, Spielart jener gesellschaftlichen Gepflogenheiten, die auch das Überleben der Siedler in der Neuen Welt ermöglicht hatten. Weit entfernt von den Benannten Landen gingen diese abgeschotteten Inseln und die darauf verstreut liegenden Dörfer auf eine Art und Weise vor, die Vlad Li Tam nur zu gut bekannt war: Sie erweiterten die Familienbande und errichteten so ein Netzwerk, das auf Vertrauen und gegenseitigem Austausch beruhte.
    Er war gestern Morgen eingetroffen, nachdem er sein gewaltiges Eisenschiff in Sichtweite des dörflichen Ausgucks hatte ankern lassen. Aus dem Dorf war der blaue Rauch der Erkundigung aufgestiegen, und Vlad hatte ihnen einen Vogel gesandt, um dessen Bein das grüne Garn des Friedens geknüpft war. Sechs seiner Söhne hatten ihn mit einem Langboot ans Ufer gerudert und waren höflich abseits geblieben, während er mit dem Häuptling die Bundschaft aushandelte. Schließlich hatten sie sich auf die älteste Tochter des jüngeren Bruders des Häuptlings geeinigt – jung, hübsch und eher neckisch als schüchtern. Bei der
Erinnerung an ihre blitzenden, weißen Zähne, die aus ihrem dunklen Gesicht mit den großen Augen hervorstachen, lächelte Vlad. Seine Söhne hatten sich zurückgezogen, damit er die strategische Verbindung vollziehen konnte, und Vlad Li Tam hatte am Strand gewartet, in angemessener Entfernung zum Dorf, um seinen Status als Außenseiter anzuzeigen.
    Als der Mond sich über das silberne Meer erhoben und das Wasser mit blauen und grünen Linien überzogen hatte, war sie zu ihm gekommen. Sie war mit Begeisterung ans Werk gegangen, und Vlad hatte erkannt, dass sie sich ganz gewiss nicht zum ersten Mal freiwillig zum Wohle dieser abgelegenen Gruppe von Dörfern hingab. Zweimal hatte sie ihm in dieser Nacht seinen Samen entlockt, und sie hatten einander Vergnügen bereitet, während ihre leisen Laute sich über die Brandung und den Lärm der Affen und Vögel im Dschungel erhoben.
    Es war eine schöne Nacht gewesen, und sobald sie berichtet hatte, dass den Gepflogenheiten der Bundschaft Genüge getan und der alte Mann der Herausforderung tatsächlich gerecht geworden war, würden sie den Tag mit einem Fest verbringen. Gemeinsam mit ihren neuen Verbündeten und Handelspartnern würden Vlad Li Tam und all seine Söhne und Töchter, die nun auf seiner Eisernen Armada zur See fuhren, feiern.
    Du bist zu alt dafür. Und machst es trotzdem zweimal in einer Nacht. Kopfschüttelnd stellte er sich in die Brandung und ließ Wasser. So stand er eine Zeitlang da und ließ seinen Blick über den Horizont schweifen.
    Die anderen Inseln lagen so weit draußen, dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen waren, aber Vlad konnte ihre Lage anhand der Karte bestimmen, die er im Gedächtnis hatte. Dies war die zehnte Insel innerhalb der letzten drei Monate. Jede hatte einen geringfügig anderen Tribut gefordert, aber der Kern der Sache war meistens die Zeugung von Nachkommen gewesen, die beide Stämme vereinen würden. Auf primitive, aber praktische
Weise ergab das einen Sinn. Je weiter sie nach Südwesten segelten, desto weniger dicht besiedelt waren die Inseln. Alle Inselbewohner und Dörfer, die sie aufgespürt hatten, führten ein ruhiges Leben in relativem Reichtum und wussten kaum etwas darüber, was jenseits ihrer Insel vorging.
    Bis zur Zerstörung von Windwir hatten die Androfranziner großzügige Beträge bezahlt, um
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