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Live Fast, Play Dirty, Get Naked

Titel: Live Fast, Play Dirty, Get Naked
Autoren: Kevin Brooks
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sie zu spielen war. Die Meinungen und Vorschläge anderer interessierten ihn einfach nicht. Schnell begriff ich, dass Kenny und Stan gar nicht mehr versuchten, sich bei ihm Gehör zu verschaffen – sie taten einfach, was er ihnen sagte. Und es dauerte Monate, bevor Curtis widerwillig akzeptierte, dass meine Grundlagen in klassischer Musik und mein jahrelanges Lernen und Üben nicht völlig unwichtig und wertlos waren. Auf den ersten Blick hatte er natürlich recht, denn für die Musik, die wir spielten, war meine klassische Ausbildung völlig unwichtig und wertlos. Aber ich wusste nun mal eine Menge über Musik – wie sie funktioniert, wie Dinge zusammenpassen, wie man Rhythmus, Struktur und Melodie am wirkungsvollsten einsetzt – und Curtis begriff schließlich, dass es sich lohnte, meine Ideen ab und zu zur Kenntnis zu nehmen.
    Aber das war erst später …
    In jener ersten Zeit war ich völlig zufrieden, meine Vorstellungen für mich zu behalten, auf Curtis zu hören und mit voller Konzentration die Grundlagen zu lernen.
    Eine weitere Veränderung war, dass sich durch das ständige Bassspielen die Haut an den Fingerkuppen der linkenHand schnell verhärtete, sodass das Bluten aufhörte und die Griffe weniger schmerzhaft wurden. Die Kehrseite war, dass mir die Verhärtung beim Klavierspielen überhaupt nicht half. Ich schaffte es trotzdem, irgendwie durch die Klavierprüfung zu kommen, doch es war deutlich, dass mein Klavierspiel litt. Was mir nicht wirklich viel ausmachte. Denn auch wenn es mir immer noch gefiel und ich weiter klassische Musik liebte, verlor ich mit der Zeit jedes Interesse an der akademischen Seite des Spielens. Musik war inzwischen für mich so viel mehr geworden und die Vorstellung, Musik zu studieren , schien plötzlich so sinnlos, so künstlich … so seelenlos.
    Ich verbrachte nicht nur viel Zeit mit Curtis allein, sondern auch mit der gesamten Band, um zu üben, die Songs einzustudieren und neue zu entwickeln. Es war nicht einfach, einen neuen Probenraum zu finden. Curtis’ Eltern hatten ihn nicht nur kategorisch aus der Garage verbannt, sondern sogar ein Schloss vor das Tor gehängt, damit er selbst dann nicht reinkonnte, wenn sie weg waren. Also mussten wir etwas anderes finden, wo wir spielen konnten, und etwa einen Monat lang übten wir ein paarmal die Woche in einem Club in Kilburn. Der Club war einer von mehreren im Londoner Norden, die Stans Vater gehörten, und er hatte nichts dagegen, dass wir dort probten, wann immer der Laden frei war … jedenfalls bis Curtis es irgendwie schaffte, das Verstärkersystem des Clubs zu überlasten, die Lautsprecheranlage zu schrotten und einen Schaden von £1500 anzurichten, womit Stans Dad nicht besonders gut klarkam. Danach probten wir an allen möglichen Orten – in einer verlassenen Fabrik, in einer Garage, in einem Tanzstudio, im Keller eines besetzten Hauses in Seven Sisters …
    Grundsätzlich eignete sich alles, was ein Dach und einen Stromanschluss hatte.
    So eroberte, während die Tage dahingingen und die Sommerferien anfingen, Naked mein Leben. Wir probten hart, wir studierten neue Songs ein … und wenn ich nicht mit der Band zusammen war oder allein am Bass übte, verbrachte ich meine Zeit nur noch mit Curtis. Ich würde lügen, wenn ich sagte, es hätte damals noch nicht gefunkt zwischen uns. Ich glaube, wir wussten beide von dem Moment an, als wir uns in dem Musikraum trafen, was passieren würde. Aber körperlich lief noch nichts zwischen uns in diesen ersten paar Wochen. Es gab nur dieses Sich-Anlächeln und Witze machen, jede Menge spielerisches Flirten, und wenn wir nebeneinander auf Curtis’ Bett saßen und beide Gitarre spielten, beugte sich Curtis auch ein paarmal zu mir rüber, nahm meine Hand und führte die Finger behutsam über das Griffbrett, während mein Herz anfing zu pochen, mir heiß wurde und ich mich total aufgewühlt fragte, ob er mich küssen würde, wie das wohl wäre und wie ich mich fühlen würde, falls er plötzlich mehr wollte, als mich nur küssen …
    Ich dachte ziemlich oft drüber nach. Fragte mich, ob ich es wirklich wollen würde, stellte mir vor, wie es wäre, was ich empfinden und was es bedeuten würde …
    Als der große Moment schließlich kam – in Curtis’ Zimmer an einem schwülen Sonntagnachmittag im Juli, an dem seine Eltern nicht da waren … na ja, da war es nichts von dem, was ich mir vorgestellt hatte. Das soll nicht heißen, dass es schrecklich war oder so, es war nur … keine
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