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Live!

Live!

Titel: Live!
Autoren: Petros Markaris
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ausgeflippt, sowohl wegen des Typen als auch wegen meines Gelächters. Jetzt prallt alles an dir ab. Glückwunsch an Frau Adriani. Hätte ich ihr nicht zugetraut, daß sie dich so zurechtstutzt.«
    Er bleibt vor den Sportanlagen in Ajios Kosmas stehen. Bis er eingeparkt hat, ist sein Lächeln verschwunden. Er wendet sich zu mir und blickt mich an. Die Nacht ist hereingebrochen, und wir können einander im Wagen kaum noch erkennen.
    »Katerina denkt daran, ihre Doktorarbeit zu unterbrechen und nach Athen zu kommen«, meint er dann.
    »Wieso?«
    »Um dich wieder aufzupäppeln. Sie befürchtet, daß du uns völlig vom Fleisch fällst.« Er macht eine kurze Pause, während er mir weiterhin sein Gesicht zuwendet. »Ich habe ihr gesagt, das sei nicht nötig. Du wärst gut bei Kräften, nur müßtest du dich entschließen, deine Selbstheilungskräfte zu aktivieren.«
    »Deswegen wolltest du mit mir spazierenfahren? Um mir von Katerina zu erzählen?«
    »Auch deswegen, aber auch um dir klarzumachen, daß es keinen Sinn hat, den Babysitter zu wechseln und die Mutter gegen die Tochter auszutauschen. Du mußt dich endlich aufraffen.« Er schweigt einen Augenblick, als wolle er seine Worte abwägen. »Wenn du so weitermachst, dann wirst du nicht in die Dienststelle zurückkehren können. Dann muß ich dich weiterhin krank schreiben!«
    »Bloß nicht!« Zum ersten Mal klingt meine Stimme nicht wie erstorben.
    »Katerina steht am entscheidenden Punkt ihrer Doktorarbeit.« Wiederum hält er inne. Er fürchtet, ihm könne etwas herausrutschen, das ich ihm krummnehme. »Sie sollte sie gerade jetzt nicht auf Eis legen. Aber ich kann sie nicht aufhalten. Nur du …«
    Er sieht, daß er keine Antwort erhält, und will schon den Motor anlassen, um zurückzufahren.
    »Ihr seid alle sehr gut zu mir«, sage ich, und er bleibt mit der Hand am Wagenschlüssel sitzen. »Meine Frau läßt mich nicht aus den Augen, du stärkst mir den Rücken, und meine Tochter will ihre Doktorarbeit liegenlassen, um mich zu verhätscheln. Aber warum fühle ich mich trotz alledem so mies?«
    »Wieso schickst du uns nicht zum Teufel und setzt deinen Kopf durch? Das versuche ich dir die ganze Zeit klarzumachen.«
    Jetzt dreht er den Wagenschlüssel im Schloß um, und der Motor springt an. Vor dem Eingang des Wohnhauses verabschiedet er sich von mir. Ich lade ihn nicht nach oben ein, da ich weiß, daß es jetzt Zeit ist für sein allabendliches Telefonat mit Katerina.
    Mich erwartet ein gedeckter Küchentisch.
    »Wie war die Spazierfahrt?« fragt Adriani.
    »Schön. Wir sind die Küste entlang bis Ajios Kosmas gefahren.«
    »Im Sommer ist die Küstenstraße sehr belebt. Sobald du ein wenig besser beisammen bist, fahren wir morgens dort raus.«
    Die Botschaft ist eindeutig. Sie entscheidet, wann ich besser beisammen bin, und sie führt mich spazieren.
    »Setz dich, damit ich dir dein Süppchen bringen kann.«
    »Ich will keine Suppe. Draußen zergehen die Leute vor Hitze und springen ins Meer, und ich esse Suppe mit Teigsternchen.«
    »Weil du gesund werden mußt, lieber Kostas. Das ist deiner Genesung förderlich.«
    »Welcher Quacksalber hat dir denn das gesagt?« Ich weiß, daß kein Arzt so etwas sagt, die Therapie hat einzig und allein sie mir verordnet.
    Statt einer Antwort nimmt Adriani den tiefen Teller, füllt ihn mit Suppe und plaziert auch eine Hühnerkeule darin.
    »Iß, wenn du willst. Laß es stehen, wenn du willst. Ich habe meine Pflicht getan«, meint sie und läßt mich allein in der Küche sitzen.
    Ich stütze mich auf die beiden Tischecken, um aufzustehen und laut zu fluchen, doch plötzlich versagen mir die Beine den Dienst. Meine Wut verpufft wie die Luft aus einem Luftballon, die Kräfte verlassen mich, und ich merke, wie ich innerlich zusammensacke. Ich setze mich an den Tisch, greife nach einer Scheibe Brot, zupfe kleine Bissen heraus und werfe sie in die Suppe. Dann beginne ich sie zu essen, wie es alte Männer tun – mit eingetunkten Brotstücken. Nach dem dritten Bissen lasse ich den Löffel in den Teller sinken und verlasse die Küche.

3
    I ch sitze auf dem Sofa neben Adriani und sehe mir das Aquarium an. Nicht eines mit Zierfischen, sondern die Sendung der bekannten Fernsehmoderatorin Aspasia Komi, zu der verschiedene Politiker und Unternehmer, ab und zu auch ein Sportler – ein Fußballer oder Gewichtheber etwa – geladen sind. Darin erhebt die Moderatorin demonstrativ Anklage und deckt Skandale auf, doch beim Abschied sind alle
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