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Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren

Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren

Titel: Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren
Autoren: Berte Bratt
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Schicksal bei, in einer Weise, wie es höchst selten der Fall ist. Genau der Mensch, den ich in dieser Minute am allerbesten gebrauchen konnte, kreuzte meinen Weg – der einzige Mensch, der geeignet war, dem Abend den letzten Schliff zu geben. Dieser Mensch war der Graf.
    Der Graf war ein Freund meines Vaters aus der Pariser Zeit. Er war etwas jünger als Vater gewesen, und wir hatten ihn zu Hause immer nur „den Grafen“ genannt und über seine Eitelkeit etwas gelächelt. Er war harmlos und ein netter und umgänglicher Mensch, mit dem man gern zusammen war – aber sein blaues Blut war gar zu auffallend blau, und er hielt etwas gar zuviel auf seinen Titel. Möglicherweise weil sein Ursprung sich etwas im Nebelhaften verlor.
    Er hatte sich in all den Jahren kaum verändert. Ein stattlicher und vornehmer Mann von fünfzig Jahren. Unsere Blicke begegneten sich einen Augenblick. Er stutzte und schien unschlüssig. Da lächelte ich, und nun kam ihm die Erinnerung.
    „Ah – Fräulein Sagen!“
    „Herr Graf!“
    Lisbeth wäre um ein Haar der Rehbraten in die falsche Kehle geraten.
    „Welche Überraschung! Wie geht es Ihnen, Fräulein Steffi, pardon, Frau Steffi? Wohnen Sie in dem schönen Stockholm?“ Ich erklärte ihm die Sachlage, lächelte und bemühte mich, so bezaubernd wie möglich zu sein. ImInnern aber sandte ich den einsichtsvollen Mächten, die mir den Grafen in den Weg geschickt hatten, eine Danksagung.
    „Herr Graf – gestatten Sie – meine Tochter.“
    Ein zartes Erröten. Lisbeth hatte es jetzt völlig den Atem verschlagen.
    Der Graf setzte sich zu uns. Nichts lieber als das. „Herr Ober – einen Stuhl! Speisekarte! – Aber, gnädige Frau – daß Sie eine erwachsene Tochter haben – eine so charmante Tochter! Sie sehen ja wie die Zwillingsschwester Ihrer Tochter aus…“
    Ich begegnete Lisbeths Augen. Es stand in ihnen eine Bitte zu lesen. Ich lächelte. Mein kleines Mädchen! Nein, ich sage nichts. Du bist mein – du bist mein kleines Mädchen! Laß die Leute glauben, was sie wollen – laß sie andeuten, daß da etwas nicht stimmt, wenn man mit siebzehn Jahren Mutter wird – ich lasse dich nicht im Stich, mein liebes Mädchen.
    „Ja“, sagte ich lächelnd. „Alle sagen, wir sehen einander ähnlich.“
    Wir speisten, wir unterhielten uns angeregt, sogar auf französisch. Auch Lisbeth plauderte und führte sich sehr damenhaft auf.
    „Ja“, sagte der Graf, „wer sich jetzt in zwei Personen teilen – oder wer mit beiden Damen gleichzeitig tanzen könnte…“
    „Ich tanze nicht“, log ich frech. „Ich bin erst kürzlich krank gewesen und muß etwas vorsichtig sein. Meine Tochter tanzt sicher gern.“
    Meine Tochter tanzte gern.
    Ich habe’ Lisbeth mit Morten tanzen sehen. Ich habe sie in ihren süßen und anspruchslosen Kleinmädchenkleidern gesehen, habe sie beim Tanzen plappern und lachen hören.
    Ich dachte an jenen Abend, als sie von der Gartenpforte zurückkehrte, und ihr Gesicht leuchtete, daß man es ihr schon von weitem ansah: Nun war es geschehen – jetzt hatte sie ihren ersten Kuß bekommen… Ich hatte sie mit ihren Freunden aus dem Gymnasium tanzen sehen – fröhlich und munter und jung und sportmäßig, ein wenig naseweis redend, ein gesundes und normales junges Mädchen… Ich hatte sie unnatürlich und aufgedonnert gesehen, als sie mit Erling Boor tanzte, ich hatte das abscheuliche Kichern gehört und die hektische Röte auf ihren Wangen gesehen, ich hatte gehört, wie selbst der Klang ihrer Stimme verzerrt und verroht war…
    Aber jetzt sah ich eine neue Lisbeth. Sie war jung und schlank, und es war etwas bebend Weiches und Erwartungsvolles an ihr. Ein scheues Lächeln, eine staunende Freude in den Augen, ihr Auftreten war sicher und gleichwohl etwas fragend.
    Der Tanz war zu Ende. Der Graf führte Lisbeth an den Tisch zurück. Sie war nicht unnatürlich aufgeregt und auch nicht befangen. Ihr Arm lag leicht und natürlich auf dem Arm des Grafen, und sie bewegte sich ruhig und sicher.
    Als der Kaffee kam, lehnte Lisbeth lächelnd den Likör ab. „Ich glaube fast, ich vertrage nicht mehr“, sagte sie. Mein kleines Mädchen war ganz natürlich geworden. Ob sie es wohl gewagt hatte, zu dem jungen Boor zu sagen, sie vertrage nicht mehr?
    Liebe, kleine Lisbeth! Erst jetzt sehe ich, was für ein Schatz du bist, erst jetzt erkenne ich, was alles in dir steckt! Großer Gott! Was hätten wir um ein Haar durch unsere unverzeihliche Verantwortungslosigkeit angerichtet! Ich
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