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Lisa findet ihren Herrn (German Edition)

Lisa findet ihren Herrn (German Edition)

Titel: Lisa findet ihren Herrn (German Edition)
Autoren: Marisa von Leyen-Dressler
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sammelt die Glasscherben ein.
    „Vorsicht, bleiben Sie stehen, wo Sie sind. Sie treten ja sonst noch hinein in die scharfen Dinger. Ich mach‘ das schon!“ Und schon hat er die gefährlichsten Scherben zu dem Abfallkorb an der Bushaltestelle gebracht, sucht nun die verstreuten Einkäufe zusammen, während Lisa plötzlich wie hilflos daneben steht und ihr ungehindert die Tränen über die Wangen laufen.
    Aber ruck-zuck ist die Tasche gepackt und steht das Fahrrad bereit. Der junge Mann prüft die Bremsen und sieht nach, ob die Räder rund laufen. Er biegt ein Schutzblech zurecht, richtet den Dynamo wieder aus, rückt ein Katzenauge zurecht. Alles in Ordnung.
    „Jetzt fahren Sie mal langsam nach Hause. Ihre Einkäufe nehme ich. Ich muss nur noch eine Besorgung erledigen, dann bringe ich Ihnen die Sachen. Ich kaufe Ihnen auch einen neuen Orangensaft.“
    Lisa schüttelt den Kopf. Das ist zu viel. Das kann sie nicht verlangen. Ihr ist ja nichts Schlimmes passiert. Von einem Bekannten würde sie das Angebot gerne annehmen, aber nicht von einem Fremden, selbst wenn sie ihm schon einmal begegnet ist.
    „Das ist die falsche Kopfbewegung, Frau Hartmann“, sagt der junge Mann und zeigt ein deutliches Kopfnicken.
    „So müssen Sie mir antworten, das ist die richtige Kopfbewegung. Ich hoffe ja nicht, dass durch den Sturz zu viel durcheinander geraten ist.“ Ein Augenzwinkern?
    Lisa entwischt ein Lächeln, die sich immer noch beim Kopfschütteln ertappt.
    Wenn er so unkompliziert denkt , glaubt sie, darf ich vielleicht sein Angebot annehmen .
    „Übrigens, ich heiße Frank“, hilft ihr nun der neue Nachbar. „Bitte gehen Sie jetzt nach Hause, legen Sie sich hin. Ich nehme Ihre Tasche und wenn ich zurück bin, klingle ich kurz. Brauchen Sie noch etwas aus der Apotheke?“
    Frank reicht ihr ein Papiertaschentuch. Lisa nimmt es dankbar und schüttelt den Kopf.
    „Das Taschentuch reicht, danke!“
    Vorsichtig steigt sie auf ihr Fahrrad. Frank hält ihr den Lenker. Lisa spürt seine Hand auf ihrer Schulter. Die Berührung tut ihr gut. Sie nickt ihm noch mal zu und tritt behutsam in die Pedale. Vorsichtig fädelt sie sich in den Straßenverkehr ein und radelt davon.
     
    Lisa schiebt das Fahrrad in den Hof, schließt es dort fest. Bevor sie den Seitenflügel betritt, wo sie im dritten Stock zu Hause ist, stürzt der Briefträger auf sie zu.
    „'Allo Frau 'Artmann“, sagt er in leicht französischem Akzent, „gut, dass isch Sie treffe. Hier ein Einschreiben, isch 'abe Sie von der Treppe gesehen, war schon auf dem Weg ins nächste ‘Aus.“
    Lisa legt Ihre Tasche zu Boden, greift den bereitgehaltenen Stift. Sie weiß, dass der Briefträger erst die Post im Seitenflügel, dann im Vorderhaus zustellt, so dass er sie durch das offene Fenster beim Betreten des Hofs gesehen haben kann.
    „Das ist freundlich von Ihnen“, antwortet Lisa. Wenn ihr von dem Sturz nicht alles wehtun würde, würde sie den jungen Mann aus Martinique ausführlicher betrachten und ihm auch ein Lächeln schenken. Normalerweise hat sie ein solches immer für den sympathischen Postboten übrig. Lisa schätzt, dass er gut zehn Jahre jünger ist als sie, also so um die achtundzwanzig, aber wenn er sie mit seinen strahlend weißen Zähnen anlächelt und bei jeder Kopfbewegung seine kleinen Rastazöpfchen tanzen, geht ihr das Herz auf. Mit immer freundlich strahlenden Augen, dem charmanten französischen Schlag in der Sprache, dem kräftig dunklen Braun seiner Haut im Kontrast zum Postgelb seiner Weste sieht er wunderbar aus. Darunter vermutet Lisa einen durchtrainierten Körper. Zumindest deuten die Proportionen und das Spiel der Muskeln seiner Oberschenkel, die in blauen und knapp geschnittenen kurzen Posthosen stecken, darauf hin.
    Aber heute hat Lisa kein freundliches Wort für ihn, und das bedauert sie selbst. Sie ist einfach nicht zu einem Flirt fähig. Verlegen reicht sie ihm den Stift zurück und steckt das Einschreiben ohne jeglichen Blick darauf schnell in ihre Tasche.
    „Merci, Madame“, sagt er. „Ist es möglich, dass irgendwas Sie bedrückt? – ‘Eute nischt so gut?“, fragt er besorgt.
    „Ach, lassen Sie, morgen sieht es wieder besser aus. Ein kleiner Fahrradunfall.“
    „Oh, das tut mir leid. Isch ‘offe, es ist nischt so schlimm für Sie“, fasst der charmante Postbote zusammen und zeigt sich offenbar interessiert, bei Bedarf zu helfen.
    Nun hat er es geschafft, Lisa lächelt doch ein wenig.
    „Ist schon gut, danke!“,
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