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Lisa findet ihren Herrn (German Edition)

Lisa findet ihren Herrn (German Edition)

Titel: Lisa findet ihren Herrn (German Edition)
Autoren: Marisa von Leyen-Dressler
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langsamer jetzt, kommt der Gehsteig auf sie zu, Lisa nimmt ihre Bewegung wie im Zeitlupentempo wahr, eine Bewegung wie im Flug. Tausend Gedanken ringen gleichzeitig um die Vorherrschaft. Welchem wird sie folgen? Die Arme ausstrecken, um den Aufprall abzufangen oder versuchen, sich abzurollen? Wohin überhaupt, und was, wenn sie mit vollem Gewicht auf einen hochgereckten Lenker des Fahrrades stürzen würde? Wo ist das Fahrrad überhaupt? Sollte sie nicht erst einmal die Tasche von sich schmeißen und sich nur auf eine bestmögliche Landung konzentrieren? Ich will nicht landen, ich will nicht auf den Gehsteig stürzen, ich will nichts brechen, nichts aufstoßen, keinen Stahl in die Haut, keine Risse im Fleisch, und bitte nicht mit der Haut über den Straßenbelag schürfen …
    „Oh nein“, hört sich Lisa noch rufen, und zu spät, zu spät , wie eine verhakte CD wiederholt ihr gestresstes Hirn die unabänderliche Tatsache: zu spät, zu spät, zu spät …
    Dann ist es geschehen: Sie weiß nicht wie, aber da liegt sie, desorientiert, mehr erschrocken als Schmerzen im Moment. Sicher, der Schock, die Schmerzen kommen später . Einfach schrecklich, dieses Unglück in Bruchteilen von Sekunden mitzuerleben und nichts dagegen tun zu können. Ich denke ja , denkt sie, das Gehirn funktioniert. Ein Wunder. War das Geschepper neben ihr ein Zerschellen einer Flasche oder das aufprallende Gestänge ihres Fahrrades, das sie gehört hat? Schau doch hin , lautet ein innerer Befehl, und schon sticht ihr wieder dieses grelle Sonnenlicht in die Augen, so dass sie gar nicht weiß, wo sie überhaupt hinsehen soll. Doch‚ es muss passiert sein, ich muss gestürzt sein , denkt sie, mit dem Fahrrad gestürzt. – Warum nur , denkt sie, warum muss mir das passieren, was ist überhaupt geschehen, oh, der Arm, das Handgelenk tut weh! Und dann nimmt sie wahr, dass es das noch immer kreisende Vorderrad ist, das sie so irritiert, direkt vor ihren Augen. Oh Gott, ich blute, was ist geschehen ? Sie spürt die Nässe an ihrer Seite, ich muss völlig aufgeschlitzt sein , meldet ihr Verstand, nicht bewegen , um nicht zu verbluten. Aber es ist so unangenehm, so kalt. So schnell stirbt man doch nicht , meldet sich ein tröstender Gedanke. Ihr Blut, das aus ihrem Körper schießt, kann doch nicht so schnell erkaltet sein! Oder war sie einige Zeit bewusstlos? Ich muss weg , signalisiert ein alarmiertes Gehirn, aufstehen, Hilfe holen . Und dann sieht sie die Splitter um sich herum. Das ist doch ein Etikett: „100% Orangensaft“, liest sie. Und endlich hat sie wieder einen Blick für sich selbst, sieht ihr Kleid mit dem großen nassen Fleck an ihrer rechten Seit, der nur Orangensaft ist, Gott sei Dank kein Blut, alles halb so schlimm, was ist los, nichts ist los, oh verdammte Scheiße, dieses Lastwagenfahrerschwein , der die Kurve geschnitten und sie zum Bremsen gezwungen hat. Umbringen! Solche Typen sollte man umbringen , meldet sich ihr Gehirn wieder zurück ins Leben und lässt ihr das Blut in die Beine schießen, die wie von selbst versuchen, den Boden unter die Füße zu bekommen und Lisa in aufrechte Position. Nur langsam! Sie taumelt, fängt sich, steht endlich. Lisa atmet durch, sieht die aus der Tasche gerollten Lebensmittel, das Fahrrad, stützt die Hände in die Hüften und biegt den Rücken durch. Alles gut , stellt sie in Gedanken fest, tut nur ein bisschen weh, aber keine schwere Verletzung. Nur Muskelkater ein paar Tage lang, von Kopf bis Fuß, aber nichts gebrochen, Gott sei Dank – Gott sei Dank!
    „Was sind Sie denn für ne Transuse? Können Se nich gucken? Der Straßenverkehr is doch kein Seniorenspielplatz! – Ist ja noch mal gut gegangen!“
    Lisa blinzelt. Träumt sie, oder ist sie wach? Ist es möglich, dass da einer vor ihr steht im knappen Muskelshirt und mehr Masse in den Armen als im Gehirn hat? Lisa wundert sich über sich selbst: Kann es sein, einerseits in absoluter Desorientierung zu sein, aber dann, wenn es darauf ankommt, sofort zu kapieren, worum es geht?
    „Wie bitte, was sagen Sie da?“, hört sie eine tiefe Stimme, die ihre eigene sein könnte.
    „Na, junge Frau, ist ja nochmal gutgegangen – Sie müssen schon ’n bisschen aufpassen im Straßenverkehr!“
    „Aber Sie haben doch ... – Verdammt, Sie haben mich doch überholt, wie können Sie da –?“
    „Nu‘ mal langsam, junge Frau, ich darf genauso wie Sie auch rechts abbiegen, immerhin ist hier zweispurig, aber wenn Sie mit ihrer Fahrradgurke jenauso
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