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Lippels Traum (German Edition)

Lippels Traum (German Edition)

Titel: Lippels Traum (German Edition)
Autoren: Paul Maar
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kaufen als gewöhnlich«, sagte Mutter und lächelte ein bisschen dabei. »Eine Sahne reicht immer gerade für uns drei. Aber wenn wir zu viert wären …«
    »Na ja, meinetwegen soll sie kommen«, sagte Lippel. »Ich kann sie mir ja mal anschauen.«
    Lippel hätte gar zu gerne gewusst, was Frau Jeschke von der ganzen Sache hielt.
    Aber er hatte Hemmungen, sie direkt zu fragen, und überlegte die ganze Zeit, wie er es anstellen könnte. Schließlich fand er doch eine Lösung und rannte gleich hinüber zum Haus, in dem Frau Jeschke wohnte.

    »Frau Jeschke«, sagte er noch in der Haustür. »Frau Jeschke, kann ich Sie was fragen?«
    »Mich fragen?«, fragte Frau Jeschke erstaunt. »Natürlich kannst du das. Zieh deinen nassen Regenmantel aus und setz dich erst mal in aller Ruhe hin! Worum geht es denn?«
    »Um ein Kind«, sagte Lippel und fügte schnell hinzu: »Aber nicht um ein echtes Kind. Um ein erfundenes!«
    »Das hört sich ja schwierig an«, sagte Frau Jeschke. »Das ist sicher so eine Art Rätsel, ja?«
    »Nicht direkt«, sagte Lippel.
    »Na, dann frag mal los!« Frau Jeschke rückte an ihrer Brille, wie immer, wenn sie auf etwas gespannt war.
    Lippel fragte: »Wenn Eltern ein Kind haben und lassen es allein, mögen dann die Eltern das Kind?«
    »Sie lassen es allein?«
    »Ja!«
    »Ah, ich hab‘s: Sie setzen es im Wald aus. Stimmt‘s?!«
    »Nein, nein, sie lassen es in der Wohnung.«
    »Ach so. Ich dachte, du sprichst von Hänsel und Gretel. Das ist ja noch schwieriger, als ich dachte. Sie lassen es also in der Wohnung. Gehen sie für immer weg?«
    »Nein, nur für eine Woche.«
    »Wohin denn?«
    »Nach Wien. Zu einem Kongress.«
    »Und niemand ist bei dem Kind?«
    »Doch, die Frau Jakob!«
    »Wer ist denn das schon wieder?!«
    »Das ist die Schwester von irgendeiner, die mein – die der Vater von dem Kind kennt.«
    »Wenn alles so ist, wie du sagst, dann bin ich ganz sicher, dass die Eltern den Jungen mögen«, sagte Frau Jeschke überzeugt. »Eine Woche geht schnell vorbei und der Junge kann ja jeden Tag seine Freundin besuchen.«
    »Er hat gar keine«, sagte Lippel und überlegte, woher Frau Jeschke wusste, dass das Kind ein Junge war.
    »Ich dachte, er kennt vielleicht eine alte Frau, die in der Nachbarschaft wohnt.«
    »Ja, das stimmt«, sagte Lippel zufrieden und ging getröstet nach Hause.

Frau Jakob stellt sich vor
    Dann kam der Sonntagnachmittag und mit ihm Frau Jakob. Bei der Begrüßung fasste sie Lippels Hand mit beiden Händen, ließ sie lange nicht mehr los, sodass er gezwungen war die ganze Zeit vor ihr zu stehn, und sagte dabei:
    »Und das ist also unser kleiner Philipp, ja? Wir beide werden ganz bestimmt ganz, ganz gut miteinander auskommen, da bin ich ganz sicher. Ich freue mich schon ganz arg auf die Woche hier!« Dann ließ sie Lippels Hand los, setzte sich, betrachtete den Kaffeetisch und sagte zu Lippels Mutter: »Ganz entzückend! Haben Sie den selbst gebacken oder ist er gekauft?« (Damit meinte sie den Kuchen.)
    »Weder noch«, antwortete Lippels Mutter und setzte sich auch an den Tisch.
    »Den hat Papa gebacken und ich habe dabei geholfen«, erklärte Lippel stolz und Frau Jakob sagte gleich noch einmal: »Das ist ganz entzückend.« (Das »ganz« sprach sie immer so aus, als müsste man es »gaaanz« schreiben.)
    Lippel setzte sich ihr gegenüber, an die andere Tischseite, damit er sie besser beobachten konnte.
    Sie sah aus wie manche Ansagerinnen im Fernsehen, fand er. Sie trug eine grüne Bluse und ein grünes Halstuch, das mit einer Brosche zusammengehalten war. Der Stein auf der Brosche war auch grün, genau wie ihre Ohrringe. Ihre blonden Haare waren wohl frisiert. Sie saß immer steif da und bewegte kaum den Oberkörper, und wenn sie lächelte, schoben sich ihre Zähne auf seltsame Art aus dem Mund. Das lag vielleicht daran, dass die oberen Zähne ein wenig schräg nach vorne standen. Vielleicht lächelte sie deshalb so selten.
    Lippel schätzte, dass sie etwa so alt wie seine Mutter war.
    Beim Kaffeetrinken stellte sich dann heraus, dass sie außer »gaaanz« noch einen zweiten Lieblingsausdruck hatte. Er hieß »Neindanke«.
    Sie sagte »Neindanke«, als Vater ihr ein Stück Kuchen anbot, »Neindanke«, als Mutter ihr die Zuckerdose reichte, und »Neindanke«, als Lippel sie auf die Sahne aufmerksam machte.
    Schließlich ließ sie sich von Vater überreden, doch ein gaaanz kleines Stückchen Kuchen zu nehmen.
    Aber Sahne nahm sie nicht, wie Lippel erbittert
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