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Lippels Traum (German Edition)

Lippels Traum (German Edition)

Titel: Lippels Traum (German Edition)
Autoren: Paul Maar
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sprach.

    Seine Eltern dagegen schworen hoch und heilig, dass sie so nie denken würden. Und dass sie es wirklich sehr, sehr schade fanden, dass er nicht mitkommen konnte.
    Aber Lippel tat so, als glaubte er ihnen kein Wort. Wenn sie ihn schon nicht dabeihaben wollten, sollten sie wenigstens ein schlechtes Gewissen haben!
    Doch der Reihe nach:
    An einem Nachmittag, als Lippel gerade triefend nass vom Einkaufen zurückgekommen war und nun im Kühlschrank drei alte Milchpackungen etwas nach hinten schob, damit die vier neuen, die drei Jogurts und die saure Sahne Platz fanden, kam Vater zu ihm in die Küche und sagte mit ernstem Gesicht: »Lippel, ich habe etwas mit dir zu besprechen.«
    »Meinst du das mit der Milch?«, fragte Lippel. »Sie ist nicht direkt sauer, nur ein bisschen dick. Und wenn wir die beiden Schüsseln einfach …«
    »Was für eine Milch?«, fragte Vater verwirrt.
    »Na ja, die auf dem Wohnzimmerschrank«, sagte Lippel.
    »Nein, ich will nicht mit dir über Milch reden!«, sagte Vater, zog ihm den nassen Regenmantel aus und hängte ihn über die Stuhllehne.
    »Limonade?«, fragte Lippel argwöhnisch.
    »Auch nicht über Limonade. Über Wien. Ich will mit dir über Wien reden.«
    »Lieber über Bagdad«, sagte Lippel erleichtert. »Ich weiß eine ganze Menge über Bagdad. Steht alles im Morgenland-Buch. Scheich Achmed …«
    »Lippel! Jetzt hör doch mal endlich zu: Demnächst ist ein Kongress in Wien. Da muss Mama hinreisen.«
    »Was ist denn ein Kongress?«, fragte Lippel.
    »Da reden viele Leute über wichtige Dinge. Jedenfalls über Dinge, die für Mama wichtig sind.«
    »Alte Kirchen und Gemälde und so was?«
    »Genau!«
    »Redet Mama da auch?«
    »Ja, das wird sie.«
    »Und wie lange dauert der Kongress?«
    »Eine Woche.«
    »Hm. Dann sind wir beide also eine Woche allein«, sagte Lippel. »Da werden wir natürlich weniger Milch brauchen als zu dritt.«
    »Nein, Lippel – weißt du …«
    »Ja?«
    »Ich habe vor, mit Mama nach Wien zu fahren!« Nun war es heraus und Vater atmete erleichtert auf.
    »Und ich?«, fragte Lippel fassungslos. »Komme ich nicht mit?«
    »Das geht leider nicht. Du musst doch in die Schule.«
    »Ihr könnt mich doch nicht eine ganze Woche lang allein lassen«, sagte Lippel empört. »Machst du einen Witz?«
    »Es wird solange jemand hier wohnen und für dich sorgen.«
    »Wer denn?«
    »Das wissen wir auch noch nicht. Ich verspreche dir: Wir fahren nur, wenn wir jemanden finden. Jemand, der nett ist.«
    »Ihr könnt mich doch nicht eine Woche lang bei einem Fremden lassen«, protestierte Lippel.
    Vater seufzte.
    »Kannst du das nicht verstehn, Lippel?«, fragte er. »Ich möchte eben gerne dabei sein, wenn Mama ihren Vortrag hält.«
    »Ich auch!«, sagte Lippel.
    »Weißt du, ich war noch nie in Wien …«
    »Ich auch nicht!«, sagte Lippel.
    »Ja, aber du bist zehn und ich bin achtunddreißig!«, sagte Vater. »Denk darüber nach! Vielleicht kannst du dich doch an den Gedanken gewöhnen.«
    »Nie!«, sagte Lippel und ging aus der Küche.
    Ein paar Tage später versuchte es seine Mutter.
    »Lippel«, sagte sie. »Du bist doch mein großer Sohn. Ein richtig großer Junge. Stimmt’s?«
    »Das sagst du nur, weil du mit mir über Wien reden willst«, antwortete Lippel.
    Und so war es auch.
    »Ich habe uns beide jetzt angemeldet«, sagte sie.
    »Uns beide?«, fragte Lippel. »Wo?«
    »Nein, uns beide. Papa und mich«, sagte Mutter. »Für den Kongress in Wien. Papa hat ja schon mit dir darüber geredet.«
    »Und was wird mit mir?«, fragte Lippel entrüstet. »Ihr lasst mich also hier verhungern!«
    »Es kommt jemand, der für dich kocht und für dich sorgt, während wir weg sind«, sagte Mutter. »Außerdem müsstest du auch so nicht verhungern. Im Kühlschrank stehen so viele Jogurts, dass du jeden Tag vier davon essen könntest. Das würde zum Überleben reichen.«
    »Und wer kommt?«, fragte Lippel.
    »Bei Papas Zeitung gibt es eine Sekretärin. Die hat eine Schwester. Und deren Freundin ist gerade arbeitslos. Die würde für eine Woche kommen und hier wohnen.«
    »Einfach so?«
    »Nein, wir bezahlen sie natürlich dafür«, sagte Mutter. »Wir haben sie für nächsten Sonntag zum Kaffee eingeladen. Damit ihr euch kennen lernt.«
    »Wie heißt sie denn?«
    »Frau Jakob«, sagte Mutter. »Bist du damit einverstanden, dass sie am Sonntag mal vorbeikommt?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Lippel unentschlossen.
    »Du müsstest dann allerdings am Samstag eine Sahne mehr
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