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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Ein suendiger Engel
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Der
Missionar murmelte etwas in seiner Muttersprache und stand auf. Consolata
wußte, daß er jetzt den Fremden sehen wollte. Wortlos begleitete sie den Pater
über die Straße in die cantina.
    Der schöne
Mann aus dem Norden schlief unruhig in Consolatas Bett. Sein ganzer Körper war
mit einem Schweißfilm überzogen.
    »Wie hast
du nur einen solch großen Mann hier heraufge bracht?« fragte der Priester,
während er prüfend zwei Finger auf die heiße Stirn des Fremden legte.
    Consolata
erklärte, daß der americano nach seinem ersten Ohnmachtsanfall in der cantina wieder zu sich gekommen war.
    »Du hättest
sofort zu mir kommen sollen, Consolata«, sagte der junge Priester streng, aber
seine Augen verrieten tiefes Verständnis. »Die Lage ist sehr gefährlich, nicht
nur für Mr. McKutchen, sondern auch für dich und deinen Onkel.«
    Consolata
nickte nur.
    »Du hast
niemandem gesagt, daß dieser Mann bei dir ist?« »Nur Ihnen«, entgegnete
Consolata verzagt.
    »Das ist
gut. Heute nacht, sobald es dunkel ist, werden wir ihn in mein Zimmer in der
Kirche bringen. Aber vorher suche ich die amerikanischen Streitkräfte auf und
bitte sie um Hilfe.«
    Consolata
war sich der sündigen Gedanken und Gefühle bewußt, die sie beherrschten, seit
sie den Fremden in ihr Zimmer gebracht hatte. Sie hatte ihn ausgezogen und
gewaschen ... und sie haßte die Frau, nach der er in seinem Fieberwahn verlangte,
ohne sie je gekannt zu haben. »Habe ich gesündigt, Vater?« fragte sie leise.
    Sanft
berührte der Geistliche aus Kansas ihren dunklen Kopf. »Nein, mein Kind.
Nächstenliebe kann nie Sünde sein.«
    Consolatas
Onkel war anderer Meinung, als er aus Havanna zurückkehrte und von dem Mann
erfuhr, den seine Nichte in ihrem Zimmer versteckt hielt. An jenem Abend, als
die cantina voller spanischer Soldaten war und weder der Pater noch die norteamericanos erschienen waren, die er zu Hilfe hatte holen wollen, drohte Tomas in
seinem Arger und seiner Angst, sowohl die Tochter seiner Schwester als auch den
bewußtlosen Fremden an den Feind auszuliefern.

3

    Bonnie
betrat den Laden
ihres Vaters und schlug nach einer Fliege, die neben ihrem linken Ohr brummte.
Überall roch es nach Schmutz und Verwesung, und das Gebimmel der Ladenglocke
brachte keinen Verkäufer herbei.
    Gegen die
Übelkeit ankämpfend, die sie seit ihrer Ankunft in Northridge belästigte,
straffte Bonnie die Schultern und schaute sich prüfend in dem vernachlässigten
Ladenlokal um.
    Die Treppe,
die in die Wohnräume im ersten Stock führte, war mit Unrat übersät, ihr
Geländer abgebrochen. Die Behälter für Mehl und Zucker waren leer und wurden
von Mäusen und Ratten zum Nestbau benutzt. Eine dicke Staubschicht bedeckte die
große Kaffeemühle auf der Ladentheke, und die Kartoffeln und Zwiebeln, die in
den Körben zurückgeblieben waren, hatten ausgetrieben und verfaulten. Die
gerahmten Fotografien von Hüttenwerks- und Bergarbeitern, die Jack Fitzpatrick
so liebevoll an den Ladenwänden verteilt hatte, waren unter der dicken Schicht
von Fliegendreck und Schmutz fast nicht mehr zu erkennen.
    Die Fenster,
die früher spiegelblank gewesen waren, waren innen vergilbt von Zigarrenrauch
und außen mit den Exkrementen unzähliger Vögel bedeckt. Die Regale waren
verstaubt und die hölzernen Bodendielen unter der Schicht Sägemehl und anderen
Dingen, die Bonnie lieber nicht näher untersuchte, fast nicht mehr zu erkennen.
Auf dem Faß, in dem sich früher einge legte Gurken befunden hatten, schwamm
etwas, das Bonnie bei näherem Hinsehen als aufgeweichte Zigarre erkannte.
    Als sie
sich schaudernd abwandte, vernahm sie eine mürrische Stimme: »Womit kann ich
dienen, Miss?«
    Eine plumpe
kleine Frau stand hinter ihr und starrte sie aus vom grauen Star gezeichneten
Augen an.
    »Nein,
danke, ich wollte nur ...« murmelte Bonnie.
    »Entscheiden
Sie sich!« erklärte die Alte und zupfte an dem Büschel langer Haare, das ihrem
Kinn entsprang. »Entweder ich kann Ihnen helfen, oder ich kann es nicht!«
    Bonnie
seufzte. »Ich nehme an, daß Sie für McKutchen Enterprises arbeiten?«
    »In
gewisser Weise ja. Aber ich erhalte meinen Lohn von Mr. Forbes Durrant.« Die
Alte musterte Bonnie abschätzend. »Es kommen nichte viele Damen her. Wer sind
Sie überhaupt?«
    »Könnte ich
bitte Mr. Durrant sprechen?« wandte Bonnie ein.
    »Oh, Sie
suchen wohl eine Anstellung als Tänzerin? Hätte ich mir eigentlich denken
können, bei Ihrem Aussehen, daß Sie keine Hausfrau sind. Mr. Durrant
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