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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Ein suendiger Engel
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und geräumigen Veranden als
ausgesprochen tröstlich. Auch die duftenden Blumen und Sträucher im Garten,
die in voller Blüte standen, übten eine belebende Wirkung auf ihre müden
Glieder und ihre niedergeschlagene Stimmung aus.
    Noch bevor
der Buggy zum Halten kam, flog die Eingangstür auf, und Genoa McKutchen eilte
ihnen mit wehenden Röcken entgegen.
    Mit fast
vierzig Jahren war Genoa sieben Jahre älter als ihr Bruder Eli. Niemand hätte
sie als Schönheit bezeichnen können, dazu war ihr Gesicht zu lang und spitz
und ihr krauses Haar zu dünn. Aber es hatte den gleichen hellbraunen Ton wie
Elis Haar, und als es jetzt in der untergehenden Sonne wie pures Gold
aufleuchtete, mußte Bonnie an ihren Mann denken, und das Herz krampfte sich ihr
vor Schmerz zusammen.
    Genoa zog
ihre Schwägerin in ihre Arme und preßte sie so fest an ihre Brust, daß Bonnie
zu ersticken glaubte. In ihren blauen Augen schimmerten Freudentränen. »Du bist
sicher müde, Liebes! War die Fahrt nicht schrecklich anstrengend? Ich lasse
Martha Limonade holen – möchten Sie nicht hereinkommen, Webb?«
    Webb
lächelte. »Ich glaube, ich fahre besser zur Redaktion weiter«, entgegnete er
höflich und wandte sich ab, um Bonnies Gepäck zu holen, das ihm von einer
korpulenten Hausangestellten und einem langaufgeschossenen Jungen abgenommen
wurde.
    Genoa und
Bonnie dankten Webb und blieben in der Eingangstür stehen, bis der Buggy die
Einfahrt verlassen hatte.
    »Bist du
hungrig?« erkundigte sich Genoa fürsorglich.
    Bonnie
schüttelte den Kopf. »Ich würde lieber zuerst zum Wasser hinuntergehen«, sagte
sie leise.
    Genoa
nickte, nahm Bonnies Arm und führte sie zum Teich. Auf dem klaren Wasser
schaukelten zwei Ruderboote, die die Form von Schwänen hatten und sehr
kunstvoll bemalt waren.
    Auf einer
Marmorbank unter einer Trauerweide ließen sich die beiden Frauen nieder.
    »Warum hast
du Eli verlassen, Bonnie?« fragte Genoa nach einem rücksichtsvollen Schweigen.
»Es kommt mir etwas plötzlich vor, ein wenig überstürzt vielleicht ...«
    Bonnie zog
die Handschuhe aus und legte ihren Hut ab. Dann begann sie so ruhig, wie es ihr
möglich war, zu erzählen. Von der Erkältung, die Kiley sich Anfang Dezember
zugezogen hatte ... Wie die Erkältung sich zu einer Lungenentzündung entwickelt
hatte ... Und wie das Kind in Elis Armen gestorben war.
    Daß sie
selbst an jenem Abend im Theater gewesen war, erwähnte sie nicht. Das war eine
Wunde, die noch viel zu frisch war, als daß sie darüber nachdenken könnte,
geschweige denn darüber reden.
    »Eli gab
mir die Schuld an Kileys Tod«, schloß sie leise. »Gleich nach der Beerdigung
zog er in seinen Club, und ich habe Grund zu der Annahme, daß er sich auch eine
Mätresse genommen hat.« Bonnie seufzte schwer. Das Allerschlimmste, von Genoas
und ihrem eigenen Standpunkt aus betrachtet, kam erst noch. »Er ist in den
Krieg gezogen, Genoa«, sagte sie tonlos. »Eli ist mit Mr. Roosevelt nach Kuba
gegangen.«
    Genoa hob
die Hand an ihre Kehle und wurde leichenblaß. Seit ihr Großvater gestorben war
und ihre Eltern in Afrika lebten, war Eli der einzige Verwandte, der ihr noch
geblieben war.
    »Er ist
doch kein Soldat!« protestierte sie nach dem ersten Schock.
    Bonnie nahm
ihre Hand und drückte sie mitfühlend. »Nein, das ist er nicht. Aber er ist
stark, Genoa, und ich bin sicher, daß ihm nichts zustoßen wird.« Dabei mußte
sie an die selbstherrliche Art und Weise denken, in der Eli das Geschäft ihres
Vaters in die McKutchen Enterprises aufgenommen hatte, ohne sie um ihre
Zustimmung zu fragen. Der Zorn, der dieser Gedanke in ihr weckte, stärkte sie,
stützte sie und half ihr, ihre eigenen Ängste und ihr eigenes Herzweh in Zaum
zu halten. Aus all diesen Gründen klammerte Bonnie sich an dieses unwürdige
Gefühl und fachte es, sobald es zu ersterben drohte, zu voller Flamme an.
    Und das
sollte ihr schon sehr bald zur Gewohnheit werden.

2

    Der americano war ein großer, schöner Mann, den Consolata Torrez sehr
gern berührte, trotz seiner Krankheit. Wenn sie nicht in der cantina ihres
Onkels Tomas arbeitete, hielt sie sich oben in ihrem Zimmer bei dem Patienten
auf, der sich stöhnend und unverständliche Worte vor sich hinmurmelnd auf dem
schmalen Lager wälzte. Mit kühlem Wasser und einem reinen Tuch badete sie
seinen fieberheißen Körper und betete einen Rosenkranz für seine Genesung.
    Sie verließ
den kranken americano nur, um Wein und Essen in der cantina zu
servieren oder um in der
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