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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume
Autoren: Connie Willis
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hast.«
    Broun kam die Treppe herunter, den Anrufbeantworter in der Hand. Er hatte ihn aus der Wand herausgerissen. Das abgerissene Ende des Anschlußkabels schleifte neben ihm über den Boden.
    »Wenn du immer noch einen Krankenwagen rufen willst, dann mußt du das Telefon nebenan benutzen, Richard«, sagte ich, »allerdings bezweifle ich, daß unsere Nachbarin dich hineinlassen wird. Nicht nachdem sie dich schon einmal hat festnehmen lassen.«
    »Du Bastard«, sagte er wieder. »Damit kommst du bei mir nicht durch. Ich habe dich angerufen, wußtest du das? Um dir zu sagen, daß ich eine Patientin hätte, die schreckliche Träume träumte, und daß ich nicht wüßte, was ich tun sollte. Ich habe dich angerufen, und du warst nicht da.«
    »Hast du mich angerufen, damit ich dir helfe, oder wolltest du dir ein Alibi verschaffen?« sagte ich, aber er hatte bereits die Tür hinter sich zugeschlagen.
    Ich zog meinen Mantel an. »Er könnte versuchen, uns zu folgen«, sagte ich. »Er hat mindestens einen Block weiter geparkt. Wenn wir jetzt gleich aufbrechen, können wir ihn abschütteln.« Ich hob Annies Handschuhe auf und warf sie ihr zu.
    »Haben Sie etwas Geld?« fragte ich Broun. Er wühlte in seinen Taschen und brachte einen Zwanziger und etwas Kleingeld zum Vorschein. »Ist das alles?« sagte ich, schrie ich ihn an, als versuchte ich ihn wach zu machen.
    Er griff mit seiner rechten Hand, in der anderen immer noch den Anrufbeantworter haltend, in die Innentasche seines Jacketts, das immer noch über dem Treppenpfosten hing, und zog ein Bündel Scheine hervor. Er reichte es mir, dann ließ er sich auf das Sofa fallen.
    »Danke«, sagte ich. Ich nahm Annies Koffer, drängte sie aus der Tür. Broun antwortete mir nicht. Als ich den Wagen startete, konnte ich ihn durch die Fenster des Wintergartens sehen, immer noch den Anrufbeantworter an sich gedrückt, wie ein Mann, der eingeschlafen war.
    Der Regen war dabei, sich in Schnee zu verwandeln. Ich fuhr bis zum Ohio Drive über Nebenstraßen, dann bog ich auf den Memorial Parkway ein. Nachdem wir die Brücke überquert hatten, sah ich mich um und fuhr dann weiter, an der Ausfahrt zum Washington Memorial Parkway vorbei.
    »Ich werde dich nicht zum Flughafen bringen«, sagte ich. »Richard ist vielleicht gar nicht so weit hinter uns«, fuhr ich hastig fort, damit sie nicht auf den Gedanken kam, daß dies eine weitere Falle wäre und ich sie in ein Krankenhaus bringen würde. »Ich bringe dich zur U-Bahnstation in Arlington. Wenn du willst, kannst du die U-Bahn bis zum Flughafen oder zum Bahnhof nehmen, oder du fährst mit dem Bus, und Richard wird unmöglich sagen können, wo du hingefahren bist.« Und ich auch nicht, dachte ich.
    Annie nickte, ohne mich anzusehen, die Hände im Schoß verkrampft. Ich lenkte den Wagen bis zu den weißen Steinen, die den Eingang der U-Bahnstation markierten, und hielt an.
    »Ich habe von dir geträumt. Heute während der Fahrt«, sagte sie, immer noch geradeaus blickend. »Ich war zu Hause in meinem Zimmer, im Bett, und hatte mir die Kissen in den Rücken gestopft, und du kamst rein und sagtest: ›Ich werde dich nach Fredericksburg fahren‹, und ich wollte mit dir gehen, aber ich konnte nicht. Ich konnte dir nicht einmal antworten. Ich schüttelte bloß den Kopf.« Sie wandte sich mir zu, die Augen voller Tränen. »Es war überhaupt das erste Mal, daß ich von dir geträumt habe. Ich habe von Richard und Broun geträumt, aber nie von dir, Jeff. Wer, glaubst du, warst du? Ich war so froh, dich zu sehen.«
    »Keine Ahnung«, sagte ich, obwohl ich von Anfang an eine Vermutung gehabt hatte, welche Rolle ich spielte. »Lees Arzt vielleicht? Ich würde dich nach Fredericksburg fahren, das weißt du. Oder sonst überallhin.«
    Würde ich das? Würde ich sie dorthin fahren können, nun, da ich wußte, wohin die Träume sie führten? Oder würde ich wieder Richard anrufen? Ich stieg aus und holte ihren Koffer aus dem Kofferraum und stellte ihn auf den Treppenabsatz. Ich hielt ihr die Tür auf. Sie faltete einen Zettel, steckte ihn in ihre Tasche, dann stieg sie aus.
    Ich gab ihr Brouns Geld und alles Bargeld, das ich hatte. »Hier hast du ungefähr fünfhundert Dollar. Das sollte bis nach Hause reichen, oder wo immer du hinwillst.«
    »Danke«, sagte sie.
    »Das ist die Blaue Linie. Du kannst damit direkt zum Flughafen fahren. Wenn du mit Amtrak fahren willst, nimmst du ab dem U-Bahnverteiler die Rote Linie, die wird dich zum Bahnhof
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