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Limit

Limit

Titel: Limit
Autoren: Frank Schätzing
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hatte sie ihm versprochen, ihn niemals alleinezulassen, doch ihre Gedanken waren alles gewesen, was sie noch hatte mobilisieren können, und das war nicht eben viel.
    Dann der Moment, als die umhertrudelnde Bombe, beleuchtet von einem Aufflackern ihres ersterbenden Bewusstseins, die Wahrheit offenbart hatte, dass es noch Stunden waren bis zur Detonation, nicht Minuten oder Sekunden, wie sie geglaubt hatte. Dass sie eine Chance gehabt hätte.
    Im Perlenregen ihres Blutes war sie eingeschlafen.
    Ich komm ja schon. Ich komme, Daddy.
    Bin ja da.
    Klonk!
    Eines dieser Geräusche, die man als Störung empfindet, selbst wenn sie die Rettung verheißen, da man ja eigentlich seinen Frieden gemacht hat. In Ermangelung einer Wahl natürlich. Aber sie hatte ihren Frieden gemacht, bevor der Shuttle, mit dem Julian, Nina, Tim und Amber ihr gefolgt waren, an der Charon andockte – an ihrem einsamen Raumschiff, das auf der OSS nicht mehr hatte aufgetankt werden können, weshalb ihm schließlich der Treibstoff ausgegangen war. Noch vor Erreichen der Spitzengeschwindigkeit.
    Doch davon hatte sie schon nichts mehr mitbekommen.
    Stimmen um sie herum. Menschen in Raumanzügen.
    »Lynn? Lynn!«
    Ohnmacht. Wortfetzen. Wie durch Watte.
    »Wie lange noch?«
    »Etwas weniger als fünf Stunden. Genug Zeit, um beide Shuttles zurückzubringen.«
    »Ich glaube, Lynn ist stabil.« Nina. »Sie hat sehr viel Blut verloren, aber mir scheint –«
    Wieder Stille. Dann eine Stimme in Endlosschleife:
    »Und jetzt raus mit dem Ding!«
    Raus mit dem Ding, raus mit dem Ding, raus mit dem ding, rausmitdemding, rausmitdemdingrausmitem –
    »Lynn.«
    Sie blinzelte. Das Krankenhauszimmer. Zurück in der Gegenwart. Augenblick mal, hieß so nicht ein Film mit –
    Scheißegal, was für ein Film!
    »Wie geht's dir?«, sagte Julian.
    »Hab geträumt.« Sie setzte sich auf. Ihre linke Seite schmerzte, aber mit jedem Tag ging es ihr besser. Lawrence, das Miststück, hatte ihr Leben um Haaresbreite verfehlt. »Wir sind wieder im Raumschiff gewesen.« Himmel, hatte sie Hunger. Einen Wahnsinnshunger! Sie hätte das Bett fressen können. »Ein Albtraum, ehrlich gesagt. Immer der gleiche Albtraum.«
    »Er ist vorbei.«
    »Ach, egal. Ganz so schlimm war er auch wieder nicht.« Sie gähnte. »Irgendwann werde ich hoffentlich was anderes träumen.«
    »Nein. Er ist vorbei, Lynn.« Julian nahm ihre Hand und lächelte, ganz der Magier ihrer Kindheit. »Der Albtraum ist vorbei.«
     

XINTIANDI, SHANGHAI, CHINA
     
    »Yoyo könnte wirklich mal anrufen«, beschwerte sich Jericho.
    Tu förderte einen verklebten Strang Nudeln aus der Pappschachtel zutage, die sein Mittagsgeschirr ersetzte.
    »Und du könntest mal wieder vorbeikommen«, sagte er kauend. »Anstatt immer nur zu telefonieren. Vergräbst dich in deinem blöden Loft.«
    »Ich hab zu tun. Ehrlich.«
    Tu schaute ihn missbilligend über den Rand seiner Brille hinweg an. Der Mittelsteg erweckte den Anschein, als wolle er sich demnächst über dem Nasenrücken entzweien.
    »Du hast Freunde zu bewirtschaften«, tadelte er. »Wie wär's mit heute Abend? Wir gehen in ganz großer Runde essen. Trinken vor allen Dingen.«
    »Wer ist wir?«
    »Alle möglichen Leute. Yoyo auch, wenn sie mit Heulen fertig ist. Seit zwei Tagen heult sie am laufenden Band, ich denke schon darüber nach, Staudämme im Gästetrakt einzuziehen. Entsetzlich! Sie produziert nichts als Tränen. Ein Tränentier.«
    »Und Hongbing?«
    »Der heult auch. Sie sind sich einig wie nie.«
    »Klingt doch gut.«
    »Ja, prima«, knurrte Tu. »Du musst dir das ja nicht antun. Was ist nun mit heute Abend?«
    »In Ordnung.«
    »Gut. Alles andere hätte ich dir auch nicht durchgehen lassen. Xiongdi !«
    Jericho saß eine Weile da.
    Dann ging er hinüber in den Küchentrakt, um der Kaffeemaschine einen Cappuccino zu entlocken. Sein Weg führte ihn vorbei an dem Ensemble, das er sich angewöhnt hatte, The Odd Couple zu nennen, Jack Lemmon und Walter Matthau in der Manifestation einer Stehleuchte und eines Teppichs, die im Streben nach konfuzianischer Eintracht scheiterten, scheiterten, scheiterten, in welcher Konstellation auch immer.
    Einen Moment lang betrachtete er die beiden.
    Dann räumte er sie beiseite, schaffte sie in den Keller und nahm die Ecke aufs Neue in Augenschein. Und endlich, nur von Licht durchflutet, klar und aufgeräumt, gefiel sie ihm.
    Das war ihm wichtig gewesen!
     

[PERSONAL]
     

    Anand, Ashwini Mitarbeiterin im Mondhotel Gaia, zuständig für
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