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Limit

Limit

Titel: Limit
Autoren: Frank Schätzing
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desto geringer die Chance, dass schnell ein zweiter –«
    »Sie fantasieren, Jericho. Wenn Sie nicht alles verdorben hätten, wäre Julian zum Zeitpunkt der Explosionen längst wieder auf der Erde gewesen. Und sein Sohn und seine Tochter auch.«
    Gedämpft drang das Tuckern und Stampfen der Boote zu ihnen herein. Direkt unter den Fenstern sang jemand mit geschäftsmäßiger Inbrunst O Sole Mio.
    »Wir waren aber nicht auf der Erde«, sagte Julian.
    »Es war anders geplant.«
    »Scheiß auf deinen Plan. Du bist übers Limit gegangen, Gerald. In jeder Beziehung.«
    Palstein hob den Blick.
    »Und du? Du und deine amerikanischen Freunde? Was tut ihr denn anderes, als was wir jahrzehntelang getan haben? Ihr holt etwas aus dem Boden, bis es alle ist und ihr bei der Gelegenheit einen Himmelskörper zerstört habt. Über welches Limit geht ihr? Über welches gehst du, wenn du deinen Konzern wie einen Staat führst, der echten Staaten die Spielregeln diktiert? Du hältst dich für sozial? Die Ölkonzerne dienten wenigstens ihren Ländern. Wem dienst du, außer deiner Eitelkeit? Sozialstaaten sind ohne Staatsorgane nicht zu machen, du aber gebärdest dich wie ein moderner Kapitän Nemo und spuckst auf die Welt, wie sie nun mal funktioniert. Wir haben lediglich das Spiel gespielt, das die Umstände erforderten. Schau dir die Menschen doch an, ihre so sauberen und gerechten Kriege, den zyklischen Zusammenbruch ihrer Finanzsysteme, den Zynismus ihrer Profiteure, die Skrupellosigkeit und Dummheit ihrer Politiker, die Pervertiertheit ihrer religiösen Führer, und erzähl mir nichts vom Limit.«
    Julian kraulte seinen Bart.
    »Du wirst wohl recht haben, Gerald.« Er nickte und stand auf. »Aber es ändert nichts. – Owen, danke, dass Sie Zeit für uns hatten. Wir gehen.«
    »Machen Sie's gut, Gerald«, sagte Jericho. »Oder auch nicht.«
    Das Bild auf dem Monitor erlosch. Julian klappte den Laptop zu und verstaute ihn wieder in seiner Tasche.
    »Vorhin«, sagte er, »beim Betreten deines schönen Domizils, ist mir unten eine kleine Gedenktafel aufgefallen: im Mezzanin eines Quergebäudes dieses Palazzos sei Richard Wagner gestorben. Weißt du was? Das hat mir gefallen. Ich mag den Gedanken, dass große Männer in großen Häusern sterben.« Er griff in sein Jackett, förderte eine Pistole zutage und legte sie vor Palstein auf den Tisch. Seine hellblauen Augen blickten eindringlich, fast freundlich und ermunternd. »Sie ist geladen. Im Allgemeinen reicht ein Schuss, aber du bist ein großer Mann, Gerald. Ein sehr großer Mann. Du könntest zwei brauchen.«
    Er drehte sich um und durchschritt ohne Eile den Saal. Palstein sah ihm nach, bis Julians graublonder Schopf jenseits des Treppenabsatzes verschwunden war. Wie von selbst fanden seine Finger den Weg zu seinem Handy und wählten eine Nummer.
    »Hydra«, sagte er mechanisch.
    »Was kann ich tun?«
    »Mich rausholen. Ich bin enttarnt.«
    »Ent –« Xin schwieg einen Moment. »Wissen Sie, Gerald, ich glaube, soeben ist mein Vertrag ausgelaufen.«
    »Sie lassen mich hängen?«
    »Falsche Vokabel. Sie kennen mich, ich bin loyal und scheue keinerlei Risiko, aber in aussichtslosen Fällen – und Ihr Fall ist leider vollkommen aussichtslos.«
    »Was –« Palstein schluckte. »Was wollen Sie tun?«
    »Tja.« Xin schien darüber nachzudenken. »Offen gestanden, es war eine anstrengende Zeit. Ich denke, ich brauche erst mal ein bisschen Urlaub. Machens Sie's gut.«
    Machen Sie's gut. Der Zweite, der das zu ihm sagte.
    Palstein erstarrte. Langsam ließ er das Handy sinken. Von unten drangen Stimmen zu ihm empor.
    Sein Blick wanderte zu der Pistole.
     
    Im Treppenhaus erwarteten ihn die Leute von Interpol und vom MI6. Shaw sah ihn fragend an.
    »Geben Sie ihm eine Minute«, sagte Julian.
    »Also, ich weiß nicht.« Einer der Agenten runzelte die Brauen. »Er könnte sich was antun.«
    »Ja, eben.« Julian drängte sich an ihm vorbei. »Jennifer, wir hauen ab. Ich muss mich um meine Tochter kümmern.«
     

LONDON, GROSSBRITANNIEN
     
    Sterne wie Staub.
    Im Schlaf war sie verloren gegangen, und der Traum hatte sie in die Stille des Raumschiffs zurückversetzt, das die funkelnde Nacht durcheilte, zusammen mit ihr und der Bombe. Alles hatte sie erneut durchlebt. Wieder den Plan gefasst, die Mini-Nuke ins Wohnmodul zu verfrachten, es abzukoppeln und mit der Landeeinheit zurückzukehren zur OSS. Zu Tim und Amber und zu Julian, der so sehr geweint hatte, als er ihren Namen rief. In Gedanken
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